YOANI SÁNCHEZ / La Habana / 30.April 2024
Sie war 21 Jahre alt, als sie ihr Smartphone nahm und von den Protesten in Nuevitas ein Video aufnahm, eine Stadt in der Provinz Camagüey, im August 2022. Erst vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass ein Gericht sie zu 15 Jahren Gefängnis verurteilte. Wenn sie die Strafe vollständig verbüßt, dann ist Mayelín Rodríguez Prado fast 40 Jahre alt, wenn sie das Gefängnis verlässt. Sie hat dann die kostbarste Zeit ihres Lebens hinter Gittern verbracht. Eine Zeit, um sie mit jungen Leuten zu verbringen, um zu studieren, um Mutter zu werden oder um ein berufliches Projekt zu starten; diese Jahre verbringt sie in einer Haftanstalt.
Die meisten der 13 Kubaner, angeklagt wegen ihrer Teilnahme an den Demonstrationen in Nuevitas, wurden wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ verurteilt, ein juristisches Konstrukt, das das kubanische Regime auch gegen die Demonstranten verwendete, die an den historischen Protesten des 11.Juli 2021 teilnahmen. Im Fall von Rodríguez Prado reduzierte sich Anklage dahingehend, dass sie die Ereignisse in Nuevitas auf Facebook verbreitete und Zeugenaussagen von Kindern sammelte, die von uniformierten Truppen geschlagen wurden, als diese mehrere Teilnehmer an den Protesten festnahmen
Für den kommenden Sommer sieht es danach aus, dass sich die Situation wiederholen wird, die die Bewohner von Nuevitas vor zwei Jahren auf die Straße trieb.
Die Härte dieser Urteile soll eine exemplarische Botschaft an die kubanische Bevölkerung senden. Der offizielle Plan ist, die Bürger darauf hin zu weisen, dass jede regierungskritische Demonstration streng bestraft wird. Zu der Beschneidung der Bürgerrechte, die die Politik des Staates mit sich bringt, kommen noch zwei Phänomene, die zunächst zweitrangig sind, aber nicht weniger bedeutsam: Der sich verbreitende Opportunismus und der zunehmende Exodus. Statt in einer Gefängniszelle zu enden, ziehen es die Kubaner vor, sich die ideologische Maske überzustreifen, oder in ein Land zu emigrieren, in dem friedlicher Protest nicht so streng bestraft wird.
Es ist auch bezeichnend, dass man die Demonstranten wegen „Aufruhr“ verurteilt hat. Dem kubanischen Strafgesetzbuch zufolge, handelt es sich dabei um ein „Verbrechen gegen die innere Sicherheit des Staates“. Der entsprechende Paragraph wird gegen jene eingesetzt, die „aufrührerisch und mit ausdrücklicher oder stillschweigender Billigung die sozialistische Ordnung gewaltsam stören.“ Aber trotz dieser Erläuterungen ist es nicht möglich, solches Tun von seiner militärischen Konnotation zu trennen, die es mit „Meuterei“ oder „Revolte“ assoziiert, wogegen dann ein militärischer Verband zum Einsatz kommt. Diese Sicht der Dinge ist nicht weit entfernt von der Realität auf dieser Insel.
Jahrzehntelang hat die Kommunistische Partei Kubas (PCC) die Bürger wie Angehörige des Militärs behandelt, wie einfache Soldaten einer Kaserne. Für die Behörden in diesem Land sollen die Menschen auf offizielle Anweisungen schnell und ohne zu zögern reagieren, und Befehle ohne nachzufragen akzeptieren, egal wie aberwitzig sie auch sein mögen; sie sollen immer wachsam bleiben, um gegen den Feind in einer Schlacht zu kämpfen, die nie stattfinden wird; und sie sollen ihren Ärger hinunterschlucken, ohne ihren Vorgesetzten den Gehorsam zu verweigern.
Die Wirkung dieser Schreckensbotschaft wird man erst nach einiger Zeit feststellen können. Für den kommenden Sommer sieht es danach aus, dass sich die Situation wiederholen wird, die vor zwei Jahren die Bewohner von Nuevitas auf die Straße trieb: Der Mangel an elektrischer Energie nimmt in dem Maße zu, wie die Temperaturen steigen; der subventionierte Basiskorb leidet unter unsicherer Versorgung und reicht kaum für ein paar Tage im Monat, um schlecht zu essen; der soziale Überdruss hört wegen der Inflation nicht auf zu wachsen; der kubanische Peso verliert weiter an Wert; und die Unfähigkeit der PCC-Führung, die Probleme in den Griff zu bekommen, bleibt offensichtlich. Soldaten verhalten sich immer mehr wie Bürger: Sie beklagen sich lautstark und glauben, dass die Straßen ihnen gehören.
Übersetzung: Dieter Schubert
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde ursprünglich von der Deutschen Welle veröffentlicht, hier erscheint er mit Genehmigung der Autorin.
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