
Inspiriert durch eine der vielen Tourismuswerbungen ist mir eine Idee gekommen, um Besucher auf die Insel zu locken. Dabei handelt es sich nicht um eine öko-touristische Reise, um die Natur zu erleben, oder um eine historische Tour zu den Plätzen und Denkmälern des Landes. Ein „Aufenthalt nach kubanischer Art“ könnte der Slogan für diese Tourismuskampagne sein, von vornherein dazu verurteilt, auf Desinteresse bei der möglichen Zielgruppe zu stoßen. „Komm und erlebe es!“ stünde auf dem Deckblatt des Rationierungsheftes, das all jene erhalten würden, die sich für dieses Abenteuer melden.
Die Unterkunft gliche nicht den Luxuszimmern, wie sie die Hotels in Varadero oder Cayo Coco vorweisen, sondern unsere Reiseanbieter würden finstere Löcher im Stadtteil Centro Habana empfehlen, Solare* im Stadtteil Buena Vista und eine aus allen Nähten platzende Unterkunft von Hurrikan-Opfern. Die Touristen, die dieses Angebot kauften, würden keine harte Währung zur Hand haben und für ihre Ausgaben über den zweiwöchigen Zeitraum, stünde ihnen ein halber Monatslohn zur Verfügung: dreihundert kubanische Pesos. Auf diese Art und Weise könnten sie sich weder in Devisentaxis setzen noch ein Mietauto durch das Land steuern; öffentliche Verkehrsmittel wären obligatorisch für die an dieser neuen Form des Reisens Interessierten.
Restaurants wären verboten für diejenigen, die sich für diesen Ausflug entschieden haben, und sie würden täglich ein 80 Gramm wiegendes Brötchen erhalten. Vielleicht hätten sie sogar das Glück, eine halbe Libra** Fisch zu ergattern, bevor ihr Rückflug startet. Um sich in andere Provinzen zu begeben, könnten sie nicht auf die Möglichkeit der Viazul-Busse*** zurückgreifen, wobei, anstatt drei Tage in der Schlange nach einem Ticket anzustehen, könnte man ihnen die Erleichterung gewähren, es nach nur einem Tag des Wartens kaufen zu können. Sie unterlägen dem Verbot, eine Yacht zu besteigen oder ein Surfbrett zu mieten, damit sie ihren Aufenthalt nicht in 90 Meilen Entfernung beenden, statt in unserem karibischen „Paradies“.
Am Ende ihres Aufenthaltes erhielten die wagemutigen Exkursionsteilnehmer dann ein Diplom als „Kenner der kubanischen Realität“ überreicht, doch müssten sie noch mehrere Male wiederkommen, um als „angepasst“ an unseren absurden Alltag zu gelten. Sie werden viel dünner zurückkommen, trauriger, besessen von einer Gier nach Lebensmitteln, die sie in den Supermärkten ihres Landes stillen werden und, vor allem, mit einer unglaublichen Überreaktion gegenüber touristischen Angeboten. Jene goldglänzende Reklame, die ein Kuba aus Mulatten, Rum, Musik und Tanz zeichnet, wird das Panorama aus Tragödien, Frustration und Apathie nicht verstecken können, das sie bereits kennengelernt und mitgelebt haben.
Anmerkungen der ÜbersetzerInnen:
* Solar: Armen- bzw. Arbeiterquartiere, bei denen oft mehrere Zimmer an einem Gang oder um einen Innenhof herum angeordnet sind und die sanitären Anlagen mit vielen Nachbarn geteilt werden mussten (oder noch müssen).
** Gewichtseinheit, 1 Libra = 454 Gramm
*** Viazul: staatliches Busunternehmen für Überlandtouren mit modernen Reisebussen in sehr guter Ausstattung. Tickets müssen in CUC bezahlt werden und sind daher für KubanerInnen normalerweise unerschwinglich.
Übersetzung: Bettina Hoyer, Heidrun Wessel, Sebastian Landsberger