Die Frau zählt die Münzen bevor sie ihr Haus verlässt: sie hat fünfundfünfzig Cent in konvertiblen Pesos*. Das entspricht einem ganzen Tagesverdienst und füllt dennoch nur einen kleinen Teil ihrer Geldbörse. Sie weiß bereits, was sie kaufen wird… das Gleiche wie immer. Es reicht gerade für zwei Würfel Suppenkonzentrat mit Hühnerfleischgeschmack und Badeseife. Somit dienen ihr acht Arbeitsstunden dazu, Geschmack zum Reis und etwas Schaum im Badewasser zu bekommen. Sie gehört jener Klasse Kubas an, die noch immer jeden Preis in die nationale Währung, dem kubanischen Peso, umrechnet, zu jenem Teil des Landes, ohne Geldüberweisungen, ohne Privilegien, Verwandte im Ausland oder illegale Einkünfte.
Kurz vor dem Geschäft, wo sie ihre Maggi-Würfel kaufen will, bleibt sie kurz stehen und starrt auf die Bier trinkenden Leute in dem Café. Jede Dose dieses erfrischenden Getränkes kommt zwei Tageslöhnen gleich. Trotzdem ist dieser Ort voll, überfüllt mit Pärchen oder Männergruppen, die sich laut unterhalten, trinken, einen kleinen Happen kosten. Das ist das andere Kuba, mit der starken Währung, mit Verwandten im Ausland, mit Privatunternehmen oder irgendeinem unlauteren wirtschaftlichen Einkommen. So groß ist die Kluft zwischen beiden, sie klafft so weit auseinander, dass es den Anschein hat, beide leben ohne jegliche Berührungspunkte nebeneinander her. Sie haben eigene Ängste und unterschiedliche Träume.
Als in dieser Woche der Beginn eines Zeitplans für das Ende der Doppelwährung angekündigt wurde, reagierten die zwei „Länder“, die auf dieser Insel zusammen bestehen, auf verschiedene Weise. Für das Kuba, das lediglich von miserablen Löhnen lebt, empfand man es als Beginn, eine Ungerechtigkeit mit einem Ablaufdatum zu versehen. Das sind jene, die sich nicht einmal das Foto ihres Geburtstags ausdrucken können, sich weder ein Sammeltaxi leisten, geschweige denn sich vorstellen können, irgendwohin zu reisen. Für sie bedeutet jeglicher Prozess zur Einheitswährung ausschließlich Hoffnung, denn schließlich könne es ihnen ja nicht mehr schlechter ergehen, als jetzt. Das andere Land, das des konvertiblen Pesos, reagierte auf die Nachricht mit größerem Vorbehalt. „Wie wird das Wechselkursverhältnis zum Dollar und zum Euro sein?“ „Um wie viel wird sich die Kaufkraft derer verringern, die heute besser leben?“ sind einige ihrer pragmatischen Gedanken.
In einer Gesellschaft, in der die soziale Kluft immer unergründlicher und die wirtschaftlichen Ungleichheiten immer größer werden, gibt es keine Maßnahme, die allen hilft, keine Flexibilisierung macht das Leben für jeden Einzelnen besser. Zwanzig Jahre Währungsschizophrenie haben auch zwei Hemisphären geschaffen, zwei Welten. Es bleibt abzuwarten, ob das bloße Austauschen der Geldscheine eine Annäherung beider Kubas, die in unserer Realität existieren, bewirken kann, und ob dadurch diese zwei Dimensionen näher zusammengebracht werden können. Ob erreicht wird, dass die Frau, die sich fast immer von Reis mit Suppenwürfeln ernährt, eines Tages im Café sitzen und sich ein Bier bestellen kann.
Übersetzung: Nina Beyerlein
Anm. d. Ü.
*In Kuba gibt es zwei Währungen: Neben dem Kubanischen Peso gibt es in Kuba auch den an den Dollar gebundenen konvertiblen Peso (spanisch peso cubano convertible), abgekürzt CUC. Fast alles, was über den Minimalbedarf an Lebensmitteln und Kleidung hinausgeht, muss in den staatlichen Geschäften, auf den privaten Bauernmärkten oder auf dem Schwarzmarkt mit konvertiblen Pesos bezahlt werden.