Foto: Landwirtschaftsministerium
Zehn Uhr morgens. Auf den Fluren, wo sich noch vor einer Woche viele Menschen tummelten und während der Arbeitszeit miteinander sprachen, geht heute keine Menschenseele mehr entlang. Was ist auf den 17 Etagen des Ministeriums für Landwirtschaft passiert, dass niemand mehr den Fuß aus seinem Büro setzt? Die Antwort ist einfach: viele fürchten, sie könnten auf der Liste der anstehenden Kürzungen stehen, sodass sie es vermeiden, sich abseits ihres Arbeitsplatzes zu zeigen, damit sie nicht entbehrlich erscheinen. Während sie einst überall mit gekreuzten Armen umherstreiften, so ist die Strategie heute, so zu tun, als wäre man beschäftigt, auch wenn man dafür acht Stunden am Schreibtisch sitzen muss.
Diese Szene ist keine Übertreibung. Das erzählte mir eine Freundin, die in einer dieser Staatsbehörden arbeitet, wo die Überbesetzung mit Personal eine chronische Krankheit ist. Sie erklärt mir, dass man vor den Wasserspendern ebenfalls keine langen Schlangen mehr sieht, aber dass auch das die Leute nicht vor der Arbeitslosigkeit bewahren wird. Sie wurden von der Behörde darüber informiert, dass nur diejenigen bleiben werden, die unentbehrlich sind, und dass einige bereits über ihre Entlassung in Kenntnis gesetzt wurden. Meine Freundin senkt den Blick und lacht auf. „Sie werden sicher weder den Direktor, noch den Sekretär der Kommunistischen Partei und am allerwenigsten die Frau rauswerfen, die die Gewerkschaft anführt“, sagt sie mit Sarkasmus.
Mich überrascht die Mischung aus Angst und Gleichgültigkeit, mit der die Kubaner der drastischen Personalkürzung gegenübertreten, die bereits umgesetzt wird. Einerseits will niemand seinen Arbeitsplatz verlieren, doch andererseits herrscht das Gefühl, dass die Arbeitslosigkeit nicht schlimmer sein kann, als für den Staat zu arbeiten. Als ich meiner Freundin empfehle, die Lizenz für einen selbstständigen Job zu beantragen, um Knöpfe mit Stoff zu überziehen oder Kleiderbügel anzufertigen, springt sie vom Stuhl auf und winkt mit beiden Händen ab. „Wenn mein Name auf der nächsten Liste steht – versichert sie – werde ich einen Skandal veranstalten, den man im Büro des Ministers und auf allen Fluren hören wird“. Aber ich glaube ihr nicht, denn wie viele andere, wird sie sich lieber verstecken, anstatt sich zu beschweren.
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Übersetzung: Valentina Dudinov
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