
YOANI SÁNCHEZ / La Habana / 30.März 2022
Man entdeckt sie, wenn sie reden. Kaum, dass sie aus dem Flugzeug gestiegen sind, fangen sie an Sätze von sich zu geben, wie: „Sie wissen nicht, was Sie hier haben“, „das Leben dort draußen ist viel härter“ oder „mit dieser Sonne, was wollen Sie mehr“. Während sie solche Sachen sagen, machen sie an touristisch stark abgenutzten Orten einige Fotos, trinken einen Mojito auf das Wohl eines Guerillero und stellen ein paar Fotos ins Netz, mit dem blauen Meer als Hintergrund.
Die „café con leche“-Kubanologen kommen, um uns unser Land zu erklären und uns zu überzeugen, dass wir hier das akzeptieren sollten, was sie nicht ertragen würden, geschähe es denn in ihrem Land. Mit ausländischem Akzent und akademischen Titeln, die niemand nachprüfen kann, erklimmen sie den Gipfel ihres Ego und sprechen mit uns, als ob wir kleine Ameisen wären, die nicht einsehen wollen, wie nötig es ist Opfer für ein höheres Ganzes zu bringen. Sie sagen uns ins Gesicht, dass uns diese Opfer möglicherweise schwerfallen würden, wobei sie auf eine Landkarte zeigen und sagen, dass diese Insel die Heimat von „Utopia“ geworden wäre.
Wenn aber eine abgemagerte Frau sie um etwas zu essen bittet, auf der Terrasse eines Luxus-Restaurants in Alt-Havanna, dann versichern sie ihr, dass Gluten sehr schlecht für die Gesundheit sei, und es besser wäre kein rotes Fleisch zu essen, während vor ihnen das T-Bone Steak über den Tellerrand reicht, mit Baguette frisch aus dem Backofen. Es sind dieselben, die die Demonstranten des 11.Juli beschuldigen Vandalen und Kriminelle zu sein, obwohl sie in ihren Städten dazu aufhetzen Polizeiautos in Brand zu setzen, und sie in ihrem Leben mehr Pflastersteine geworfen als Blumen überreicht haben.
Die besagten Kubanologen fragen uns, warum wir uns über Stromsperren beklagen, wo doch Stromausfälle dazu beitragen, das Leben unseres Planeten zu verlängern.
Die besagten Kubanologen fragen uns, warum wir uns über Stromsperren beklagen, wo doch Stromausfälle dazu beitragen, das Leben unseres Planeten zu verlängern. Sie regen sich darüber auf, dass wir auf einer Versorgung mit Trinkwasser bestehen, wo wir doch mit der hohlen Hand Wasser aus einem Fluss schöpfen und es trinken könnten. Sie wissen nicht, dass die meisten Flüsse in diesem Land kontaminiert oder ausgetrocknet sind. Sie werfen uns an den Kopf, dass wir Nörgler wären, weil wir Schuhe für unsere Kinder fordern, wo doch der Kontakt der Füße mit dem Boden so empfehlenswert ist, um Energie zu tanken und die Gesundheit zu erhalten, …und andere „Überzeugungen“ mehr.
Sie lieben die Nähe zur Macht. Sie sind besonders fasziniert, wenn man sie zu einem offiziellen Empfang einlädt, ihnen erlaubt im Audimax der Universität von Havanna zu sprechen, und man ihnen dann eine Auszeichnung ans Revers heftet. Diese sogenannten Experten behandeln uns wie fahrige und aus der Spur geratene Kinder, die nicht das wertschätzen was sie haben, und die eine harte Hand benötigen, eine sehr harte Hand. Es gefällt ihnen, dass die Diktatoren ihnen helfen, das bunte Bild von Kuba als Paradies aufrecht zu erhalten; ein Bild, das sie bei Facebook oder Tik Tok verbreiten.
Nichts ärgert einen solchen Kubanologen mehr, als dass sein Studienobjekt selbst dieses Bild widerlegt. So geschehen an jenem Tag, als die Menschen auf die Straße gingen und „Freiheit“ schrien; oder die wachsende Zahl derer, die bei einer Überquerung der Floridastraße ihr Leben riskieren, um dem System zu entkommen; oder wenn Patienten mit Bildern und Aussagen von Zeugen den um sich greifenden Verfall des staatlichen Gesundheitssystem attestieren. Das löst bei ihnen ein tiefes Unbehagen aus, denn sie haben ihre Dissertation nicht so konzipiert, dass sie mögliche Variable einbezieht; ihre Doktorarbeit ließ nur genau eine unbestreitbare Schlussfolgerung zu.
Die Zahl dieser Kubanologen hat sich verringert, aber sie werden immer pathetischer. Früher einmal waren es Nobelpreisträger, anerkannte Künstler und illustre Professoren. Aber im Laufe der Zeit wurde die Beschäftigung mit Kuba mühsam und unhaltbar; sie „desertierten“ zuhauf, hüllten sich in Schweigen oder lenkten ihr „Talent“ in Richtung anderer Geographien. Aber einige sind geblieben, genauso bedauernswert wie schädlich.
Übersetzung: Dieter Schubert
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