Meine Großmutter wusch und bügelte für andere Leute. Als sie Mitte der achtziger Jahre starb, konnte sie nur die 3 Buchstaben ihres Vornamens schreiben: Ana. Während ihres ganzen Lebens arbeitete sie als Dienstmädchen bei einer Familie, sogar noch nach 1959, als sich die offizielle Propaganda damit brüstete, alle Dienstmädchen aus abhängigen Verhältnissen befreit zu haben. Stattdessen arbeiteten viele Frauen wie sie weiter als Hauspersonal, jetzt aber ohne (staatlichen) Versicherungsschutz. Für meine Schwester und mich verbrachte Ana einen Teil ihres Lebens „im Haus in der Ayestarán-Straße“, und niemals sagten wir laut, dass sie dort das Haus putzte, Teller spülte und Essen zubereitete. Niemals habe ich sie klagen hören, niemals erhielt ich Kenntnis davon, dass man sie misshandelt hätte.
Vor ein paar Tagen bekam ich ein Gespräch mit, das ich mit der Geschichte meiner Großmutter verglich. Eine selbstgefällige Frau in teurer Kleidung erzählte ihrer Freundin bei ein paar Gläsern Weißwein, wie es ihr mit ihrem jungen Hausmädchen ergeht. Hier gebe ich das Gespräch wieder, ohne irgendein Wort hinzuzufügen; es lässt in mir eine Mischung aus Abscheu und Traurigkeit zurück.
– Nach allem was du mir sagst, hast du Glück gehabt.
– Ja, eigentlich darf ich mich nicht beklagen. Suzy begann bei uns, als sie 17 war, und jetzt wurde sie gerade 21.
– Dann schaun’ wir mal, ob sie dir jetzt ein Kind zur Welt bringt und du sie rauswerfen musst.
– Nein, darüber ist sie sich im Klaren. Ich habe ihr nämlich gesagt, wenn sie schwanger wird, verliert sie ihre Arbeit.
– Jawohl. Aber du weißt doch “Die Katze lässt das Mausen nicht”. Sie ist im Stande, sich hinter deinem Rücken mit irgendeinem Kerl aus dem Dorf zu treffen, von wo sie herkommt.
– Was soll’s! Dorthin geht sie nicht einmal in den Ferien. Stell’ dir vor, dort haben sie nicht einmal elektrisches Licht, der Fußboden des Elternhauses besteht aus Lehm, und die Toilette teilen sie sich mit vier Familien. Sie hat gesehen, wie sich für sie der Himmel öffnet, seit sie bei uns ist. Und außerdem, ihr fehlt doch nichts. Sie muss ihre Pflichten bei mir ernst nehmen, mehr verlange ich nicht von ihr.
– So fangen sie an, aber dann bilden sie sich etwas ein und verlangen mehr.
– Bis jetzt geht es gut mit ihr. Am Sonntagabend hat sie Ausgang, dann kann sie tun, was sie will, aber vor 24 Uhr muss sie zurück sein. Meistens geht sie gar nicht weg, weil sie niemand in Havanna kennt. So ist’s auch besser, weil ich keinen schlechten Umgang mag.
– Gut so, die Straße ist gefährlich. Und außerdem ist es besser, wenn diese Landpomeranzen nicht dahin gehen, am Ende erfahren sie noch zu viel.
– Sie lernen mehr als nur bis 3 zu zählen. Deswegen halte ich es bei ihr für gut, sogar ihre Telefonanrufe zu kontrollieren. Es muss nicht sein, dass sie etwas erfährt, was sie nicht erfahren soll.
– Und wie steht’s mit dem Verlobten? Du hattest vom ihm gesprochen.
– Nein, das war nicht von Dauer. Wir haben ihr erklärt, dass wir keine Männerbesuche in unserem Haus wünschen. Und eigentlich hat sie auch keine Zeit, um sich zu verlieben, meine Kinder nehmen viel Zeit in Anspruch. Jetzt sind es die Hausaufgaben, dann der Park, dann wollen sie noch malen vor dem Schlafengehen, dann wollen sie nicht allein einen Film anschauen. Die Ärmste, wenn sie ins Bett fällt, muss sie todmüde sein.
– Na also……da kannst du ja innerlich jubeln. Ich hatte kein Glück, jedes Mal wenn ich eine einstelle, bleibt sie mir kaum einen Monat.
– Wenn du möchtest, kann ich dir die jüngere Schwester von Suzy vorstellen, die ich für sehr zuverlässig halte.
-Wie alt ist sie?
– Sie ist 15, du kannst sie also nach deinem Geschmack zurechtbiegen.
– Einverstanden, gib’ ihr meine Telefonnummer und sie soll mich anrufen. Oh…..und erkläre ihr, wenn ich sie einstelle, dann kaufe ich ihr alles: Kleider, Schuhe. Aber wenn sie eines schönen Tages abhaut, dann nimmt sie aus meinem Haus nicht mal eine Stecknadel mit. Erkläre ihr das! Denn später haben sie Flausen im Kopf, und es ist schwer, sie ihnen wieder auszutreiben.
Die zwei Frauen redeten weiter und die Weinflasche neigte sich dem Ende zu. Ich hörte noch, wie eine von ihnen mit den mehr als 60 Paar Schuhen protzte, die ihr Mann besäße. Sie lachten, und ich verspürte in der Magengrube ein Zittern, das ich kenne, es ist die angestaute Wut über solche Schmarotzer. Ich ging auf die Straße, um Luft zu holen und sah das Auto, mit dem die „ herrschaftlichen Damen“ gekommen waren. Es hatte ein grünes Kennzeichen, das sich vom grau-metallic Wagen abhob. Das ist die neue aristokratische Klasse, der „Adel in Olive-Grün“, ohne Skrupel, rücksichtslos. Ich spuckte auf die Windschutzscheibe, für Suzy, für Ana und für mich.
Übersetzung: Dieter Schubert
Ich sage dazu nur: Wenn es solche Schmarotzer nicht geben würde, wovon würden dann Suzy und ihre jüngere Schwester leben?