Bei dem letzten Zensus, der in Kuba durchgeführt wurde, war ich keine Nummer. Ich war nicht bei den 11.177.143 Menschen die – aus Entscheidung oder Resignation – das nationale Territorium in diesem Moment bewohnten. Erdrückt mangels Aussichten bin ich einige Monate bevor die große nationale Zählung begann, aus meinem Land weggegangen. Aber ich kann mich daran erinnern, wie mir meine Verwandten und Freunde erschrocken von den staatlichen Angestellten berichteten, die an die Türen klopften und eine Unmenge an Fragen stellten. In einem Land, in dem die meisten etwas zu verbergen haben, erscheint jegliche Nachforschung von Seiten des Staates verdächtig. So wurde bei jener Gelegenheit zum Beispiel untersucht, ob die Familie einen Computer besitzt – 6 Jahre bevor Raúl Castro den legalen Kauf in einem Geschäft autorisieren wird. Die Leute logen und logen, um vor den Volkszählern – oder Zensoren? – zu verbergen, woher ihre Einkünfte kamen, wie viele Elektrogeräte sie besaßen oder wie viele tatsächlich in der Wohnung wohnten.
Gerade kürzlich wurde ein neuer Zensus angekündigt und das Fernsehen spart nicht mit Werbespots, Programmen und Reportagen, um den Argwohn abzuwehren, den dieser hervorruft. Es wird angekündigt, dass die Befragten kein Ausweisdokument vorweisen müssen und dass die Information nur für „statistische Zwecke“ verwendet wird – und nicht für polizeiliche. Aber die Mauer des Misstrauens einzureißen ist nicht so einfach, vor allem nicht in einer Gesellschaft, in welcher die häusliche Intimität von Seiten öffentlicher Einrichtungen zu sehr verletzt wurde. Die ausgeprägte Neigung den Staat zu täuschen zwingt also dazu, über jede einzelne Angabe, die bei einer Haus-zu-Haus-Umfrage erfasst wird, ein Fragezeichen zu setzen. Es ergeben sich schon fast komische Situationen, wenn ein Interviewer an ein Wohnhaus wie das meine kommt und die Nachbarn sich es untereinander weitersagen, damit sie noch rechtzeitig jene Gegenstände in ihren Räumlichkeiten, die verboten oder unerlaubter Herkunft sind, unter der Bettdecke oder im Schrank verstecken können.
Trotz der Besorgnis und den Zweifeln wäre eine Durchführung dieser Bestandsaufnahme momentan von großem Nutzen. Wir könnten mit den Zahlen einige Entwicklungstrends bestätigen, die auffällig sind. Unter anderem die deutliche Veralterung der Bevölkerung, die niedrige Geburtenrate und die zunehmende Auswanderung. Selbst wenn die Soziologen die Zahlen herausfänden, würden wir wahrscheinlich niemals über die Selbstmordrate, Scheidungsrate oder Anzahl der Abtreibungen informiert werden, weil es Zahlen sind, die das Bildnis des „Inselparadieses“ zerstören würden. Jeder veröffentlichter Zahl muss auch – wie in allen Studien – eine Fehlerquote angerechnet werden und die entsprechenden Prozente der Unwahrheit, von diesen rettenden Lügen, mit denen so viele antworten werden, bei diesem peniblen Fragebogen des nächsten Zensus, müssen davon abgezogen werden.
Übersetzung: Birgit Grassnick
Ich bin schon zufrieden, dass wir einig sind, dass niemand in Kuba behauptet, die Insel sei ein Paradies.
Und dass die Tourisums-Industrie aufpeppt? Mit Egypten, Kenia oder Vietnam machen sie genauso. Das „Palmen, Cuba Libre, Mojito, Sombrero“ Bild hilft nur den Kubanern, die vom Tourismums leben.
@Queridísimo Ricardito
“La imagen de paraiso insular” ist kein Werk von Raúl Castro, das hat Yoani Sánchez nie behauptet. Dramatisierung der Misere vor der Revolution, Schulterklopferei und Dämonisierung der kapitalistischen Gesellschaften sind Tenor der kubanischen Presse, jeden Tag. Nicht mal Fidel hat irgendwann behauptet, Kuba sei ein Paradies. Diese Schlussfolgerung überlässt er lieber den anderen. Dafür ist er viel zu klug, der Mann besitzt rethorische Bildung und Geschmack. Fidel Castro ist eben kein naiver Prolet Marke Ulbricht-Honecker. Was Raúl betrifft, da kann ich nur sagen, so einem Pragmatiker fehlt jeden Sinn für Lyrik.
Ergo: Sei nicht so kindisch, du weißt genau, wie Yoani Sánchez das meint.
@Oro
Sehr gut! Solche Kommentare brauchen wir hier! Ich freue mich, mehr von dir zu lesen, hier im Blog. Lieber Grüße Ernesto.
Ricardo scheint mir sehr fern von den Realitäten dieser Welt zu sein, und dass nicht nur im heutigen Kommentar. Was soll der Vergleich einer Misere Nicaragua, Haiti, Mexico mit der anderen – Cuba? Da gibt es keinen Unterschied – Unterdrückung von welcher Seite auch immer. Warum sich am Schlechten orientieren? Es sollte für alle Menschen die Möglichkeit geben selbst nach Fortschritt und Verbesserung jeglicher Lebensumstände zu streben. Aber das ist eben nur in einer Demokratrie wirklich möglich. Auch wenn es eine hundertprozentige Zufriedenstellung aller Menschen nie geben wird. Auch eine Demokratie hat dunkle Punkte aber die führen eben nicht zu Hunger, Folter oder Verwehrung jeglicher Menschenrechte.
Zum Thema Paradies: hier hat Ernesto vollkommen Recht. Selbstverständlich schürt die Tourismusindustrie die Paradies-Blase und genug Naive und Unwissende
glauben jeden Mist.
@Ernesto
Ich lese Yoani ZUERST auf Spanisch, ich finde ihre Verwendung der spanischer Sprache meisterhaft, Top-Journalistin ist sie. Die deutsche Übersetzungen sind lediglich korrekt.
Schreieben werde ich aber im spanischen Forum nie. Dort findet kein „ideologischer Kampf statt“ sondern ein Kloaken-Kampf. Der letzte Abschaum von Immigranten schreibt dort. Primitiver geht nicht. Miami pur.
Da Du Internet hast, könntest du bitte auf eine konkrete Rede von Raul oder einem seiner Minister hinweisen, wo Kuba als ein Paradies dargestellt wird?
@Ricardo
Du forderst Yoani Sánchez ständig heraus, dir irgendwelche Fragen zu beantworten, und dabei weißt du genau, dass die Frau dich nicht verstehen kann, abgesehen davon, dass sie keinen Internetzugang hat, um die Kommentare in ihrem Blog lesen und antworten zu können. Es ist ein fieses Spiel, was du da treibst. Dein Kampf gegen sie basiert auf einer Ungleichheit der Ausgangsbedingungen. Una pelea de mono amarrao‘ contra león (Gefesselter Affen gegen Löwe) – sagt man in Kuba dazu. Ich mache dir einen Vorschlag lieber Ricardo: Warum kommentierst du nicht auf Spanisch auf den spanischen Seiten von Generación Y?. Da wirst du genug Leute finden, die eins zu eins die Meinung Yoani Sánchez vertreten und die Aufgabe, dir in ihrem Namen aufzuklären, gerne übernehmen würden. Versuche dich auf diesem Parkett – Da findet echter ideologischer Kampf statt, das hier ist wie einem Gehbehinderten ein Bein zu stellen.
Zum Thema Padadies: Es gibt genug Leute in Europa, die glauben, in Kuba das Paradies gefunden zu haben. Freundliche schöne Menschen, prima Wetter, Palmen, Cuba Libre, Mojito, Sombrero, Buena Vista Social Club, Schrottautos, Malecón, Tropicana und dazu Gesundheit und Bildung umsonst. Wolkenlos und sorgenlos ist für die meisten Deutschen mein Land. Die Medien und vor allem die Tourismusindustrie des Kapitalismus sind an dieser Lüge schuld. Und da haben wir wieder die Falschheit der Demokratie: mit der Utopie Kuba lässt sich eben Geld machen!
Yoani hat zutreffend auf die gesellschaftlichen Probleme Kubas hingewiesen:
Veralterung der Bevölkerung, niedrige Geburtenrate, Auswanderung. Es stimmnt, dass die Kubaner (trotz Zigaretten ohne Filter!) lange leben und die Babies abtreiben, weil Medizinversorgung allgemein zugänglich und besser als in den benacharten Ländern ist. Es stimmt auch, dass viel zu viele ein McDonalds Job in Miami als Gipfel der Karriere betrachten.
Es stimmt aber ganz und gar nicht, dass, wie sie schreibt, die entsprechenden Zahlen „das Bildnis des „Inselparadieses“ zerstören würden“. Es stimmt nicht, weil niemand behauptet, Kuba sei ein Paradies. Kuba betrachtet sich als Alternative zu Nicaragua, Haiti oder Mexico, nicht als Paradies.
Liebe Yoani, könntest du bitte auf eine konkrete Rede von Raul oder einem seiner Minister hinweisen, wo Kuba als ein Paradies dargestellt wird?