Von Tag- und Nachtgleichen und Enkelkindern

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Sie nahmen Adolfo mit, eines Morgens vor sechs Jahren, nachdem sie sein Haus durchsucht hatten, als handele es sich um einen gefährlichen Terroristen. Es gab weder Waffen noch Chemikalien in seiner ärmlichen Behausung in Centro Habana, aber seine Unterlagen gaben Aufschluss über viele Meinungsäußerungen, die ohne Erlaubnis aufgeschrieben worden waren. Man machte ihm den Prozess mit der derselben Eile, mit der man – genau zur selben Zeit – drei Jugendliche erschoss, weil sie eine Fähre entführt hatten, um nach Florida auszureisen. Das war um die Zeit der Tag- und Nachtgleiche, aber uns allen schien, dass so viel Dunkelheit nur auf eine Weise benannt werden konnte: Schwarzer Frühling 2003. Nicht einmal der Irakkrieg schaffte es, dass diese Nachricht nur unter der Freunden und Angehörigen der fünfundsiebzig Verhafteten blieb. Der alte, oft erfolgreich wiederholte Trick, sich zunutze zu machen, dass alle in die andere Richtung schauten, funktionierte nicht.

Aus seinem Gefängnis in Ciego de Ávila rief er diese Woche an, um uns mitzuteilen, dass seine Tochter Joana ein Baby erwartet. Höchstwahrscheinlich wird er die ersten Zähne nicht sehen können, die das Kind bekommt, wegen der Halsstarrigkeit jener Leute, die ihn zu fünfzehn Jahren Haft verurteilten. Seine Freiheit ist zu einem Wechselbrief geworden, der aufbewahrt wird für einen politischen Schachzug, von dem niemand weiß, wie oder wann er ausgeführt wird. Nur ein Mann, der im Sterben liegt und deshalb starrköpfig ist, scheint die Kompetenz zu haben, seine Entlassung aus dem Gefängnis zu beschließen. Diesem sterbenden Greis muss die Zukunft von Adolfo – in Freiheit und in einem pluralistischen Kuba lebend – jedoch mehr wehtun als die Nadeln von Infusionen und Injektionen. Trotz seiner enormen Macht wird dieser achtzigjährige Rekonvaleszent nicht verhindern können, dass das Enkelkind des bescheidenen Englischlehrers ihn nur als einen Namen unter vielen in den Geschichtsbüchern sehen wird, als den launischen Caudillo, der seinen Großvater hinter Gitter brachte.

Der März ist nicht wieder zu dem Monat geworden, in dem die Tage gleich lang sind wie die Nächte, weil eine anhaltende „Freiheitsfinsternis“ sich über uns gelegt hat. So viel ich auch schaue, es scheint mir immer, dass wir uns zwischen der Sonnenwende und der Dämmerung befinden. Dort vorne kann ich meine Kinder und die von Joana unter einem beständigen Licht sehen. Sie rufen uns.

Anmerkungen der ÜbersetzerInnen:

Weitere Informationen zum Fall von Juan Adolfo Fernández Saínz bei amnesty international.

Übersetzung: Bettina Hoyer, Heidrun Wessel, Sebastian Landsberger

2 Gedanken zu „Von Tag- und Nachtgleichen und Enkelkindern

  1. Ich finde es skandaloes dass von deutschsprechender Seite so wenig auf die Initiativen von Yoani reagiert wird Habt Ihr denn alles vergessen was einst in Deutschland passiert ist….. es es nicht Zeit dass auch von dieser Seite die Menschenrechte verteidigt werden muessen….Waehrend tausende die spanischsprechende Sektion und auch auf englisch viele Kommentare vorliegen ist hier die Reaktion wahrlich spaerlich…..Also los !!!

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