Straßen ohne Protest

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Pro-Palestina-Demonstranten auf einer Straße in Wien. (Luz Escobar)

Eine Freundin schickte mir die Fotos von einem Protestmarsch auf Wiens Straßen zugunsten der Palästinenser. Auch von anderen Teilen des Planeten erhielt ich Fotos mit Plakaten, die Solidarität oder Ablehnung für den einen oder den anderen beteiligten Part im Gaza-Konflikt ausdrücken. Viele Menschen ergriffen Partei und bekundeten ihre Meinung auf verschiedene Weise: mit einem Tweet, mit der Art sich zu kleiden, mit einem Aufschrei oder einem öffentlichen Protest. In Kuba hingegen können sich nur die Presse und die Regierungsinstitutionen durch Schlagzeilen oder Erklärungen dazu äußern. In den 14 Tagen dieser letzten und blutigen Auseinandersetzung zwischen Israel und der Hamas fand keine einzige spontane Demonstration zu diesem Thema auf unseren öffentlichen Plätzen statt.

Die Freiheit kann man vortäuschen und mit falschen Angaben über Wohlstand und Recht belegen, jedoch wird jene immer von irgendeiner Tatsache auf die Probe gestellt. Die Tatsache, dass es bei uns keine öffentlichen Proteste zu nationalen und internationalen Themen gibt, macht offenkundig woran wir leiden: am Fehlen von Rechten und sozialer Selbstbestimmung. Es handelt sich um dieselbe Knebelung, die auch die LGBT*-Community davon abhielt, wegen der Ankunft Vladimir Putins zu demonstrieren, der als einer der Präsidenten mit der am stärksten ausgeprägten Homophobie auf unserem Planeten gilt. Auch ist es ein schlechtes Zeichen, dass heute bei der Ankunft von Xi Jinping niemand am Flughafen zu sehen ist, der Freiheit für die chinesischen Dissidenten fordert, oder einen besseren Umweltschutz in jenem Land.

Noch einmal: Freiheit kann vorgetäuscht werden, aber innerhalb von einer Minute macht sich ihr Fehlen bemerkbar; ihre immense Abwesenheit. Einige meiner Freunde – einer hält seine Kufija bereit, der andere trägt einen Davidstern auf dem Arm tätowiert – werden nicht auf die kubanischen Straßen gehen können, um ihrer Sympathie oder ihrer Entrüstung Ausdruck zu verleihen. Niemandem ist es erlaubt aus Eigeninitiative die Toten, das Blut und den Schmerz öffentlich zu verurteilen. Deshalb werden wir keine Fotos zu Gesicht bekommen, die Havannas Straßen voller Menschen zeigen, die sich über das empören, was in Gaza passiert.

*Anm. der Übersetzerin:

Die Buchstaben L, G, B und T stehen für die englischen Begriffe „Lesbian“, „Gay“, „Bisexual“ und „Trans“. Homosexualität wird nach langjähriger Diskriminierung in zunehmendem Maße auf Kuba akzeptiert.

Übersetzung: Nina Beyerlein