Zwei Sonnenwenden von dem Balkon unserer Redaktion aus

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Die Wintersonnenwende (oben) und die Sommersonnenwende (unten) von unserer Redaktion aus

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YOANI SÁNCHEZ | GENERACIÓN Y | 21. Juni 2017 Es sind sechs Monate vergangen seit am 21. Dezember letzten Jahres ein Foto, aufgenommen auf dem Balkon der Redaktion von 14ymedio, den Moment festhielt, in dem eine rötliche Sonne zum Vorschein kam, deren Untergang Stunden später die längste Nacht des Jahres einleiten sollte. Diesen Mittwoch spiegelt das Bild das gegenteilige Phänomen wider und auf unsere Reporter wartete nun der längste Tag des Jahres: die Sommersonnenwende.

Von dem Stadtbezirk Diez de Octubre bis nach Alt-Havanna zog das rastlose Gestirn über den Himmel vor unserem Balkon. Eine kurze Strecke für das Auge des Betrachters, aber unglaublich bedeutend für Natur und Lebewesen. Die Sonnenwende bedeutet das Ende des Frühlings auf der Nordhalbkugel und den Beginn des „offiziell“ 93 Tage dauernden Sommers, obwohl uns die Thermometer bereits glauben ließen, dass wir bereits mittendrin steckten.

Auf diesem Balkon ist es unmöglich, sich der Tatsache zu entziehen, dass die Sonne heute Mittag höher am Horizont stehen und einige Stunden länger scheinen wird als an den restlichen Tagen des Jahres. Auf der Südhalbkugel wird mit der längsten Nacht des Jahres der Winter eingeläutet. Währenddessen geht auf den Straßen das Leben unwissend darüber weiter, wie über uns die Sterne stehen.

 Innerhalb eines halben Jahres haben wir uns zudem häufig von Freunden verabschieden müssen, die von uns gegangen sind, die offizielle Presse hat sich mit Todesanzeigen gefüllt und der journalistische Elan ist gewachsen

Zugleich beginnt auch die Regenzeit, obwohl sich die Sonne, die auf Kuba auch als „El Indio“ bezeichnet wird, nur ungern von den Regenfällen in den Hintergrund drängen lässt und mit ihren Strahlen dem bereits in Mitleidenschaft gezogenen Boden schadet, der der schlimmsten Dürre des Jahrhunderts ausgesetzt ist.

Es ist wahr, dass wir zwischen heute und morgen kaum einen Unterschied bemerken werden, dass unser Frühling dem Sommer so sehr ähnelt wie man es sich nur vorstellen kann und die Sonne im Juni genauso auf uns herabbrennt wie im August, aber eine Flut von Ereignissen hat sich in den sechs Monaten seit der letzen  Sonnenwende zugetragen: Im Dezember befanden wir uns mitten in einer diplomatischen „Tauzeit“ mit den Vereinigten Staaten und heute klappern wir mit den Zähnen in dieser durch Präsident Donald Trump eingeleiteten politischen Eiszeit.

Innerhalb eines halben Jahres mussten wir uns von vielen Freunden verabschieden, die von uns gegangen sind, die offizielle Presse war voller Todesanzeigen und in unserer Redaktion kamen immer mehr graue Haare zum Vorschein und der journalistische Elan ist gewachsen. Ich wünsche mir nur, dass uns an diesem Tag, dem längsten des Jahres, das Licht in seinem wahrhaftigen und metaphorischen Sinne begleitet und uns Klarheit gibt, damit wir erkennen können, was eine Nachrichtenmeldung ist und was nicht; was uns untergehen lässt und was uns rettet.

Übersetzung: Lena Hartwig