
Nachdem diese Woche die unabhängige Presse durchsickern ließ, dass es Listen mit Geschäften gibt, die Nahrungsmittel und Artikel zur Körperpflege gegen Fremdwährung verkaufen, haben viele Kubaner diese Möglichkeit empört abgelehnt. (14ymedio)
YOANI SÁNCHEZ | La Habana| 18. Juli 2020
Im lang zurückliegenden Jahr 1994 war es das erste Mal, dass ich ein Geschäft mit harter Währung betrat. Ich musste die drei Dollar vorzeigen, die mir eine Freundin geschenkt hatte und kam so ins Shopping-Zentrum im Untergeschoß des Hotels Sevilla, das in der Nähe des Kapitols liegt. Der Geruch nach Sauberkeit, die Klimaanalage und die Regale voller Produkte waren ein harter Schlag für die kleine Kubanerin, die bis dato nur die staatlichen Läden des rationierten Marktes kannte. Seit damals hat es viel geregnet, aber offensichtlich bewegt sich die Geschichte auf dieser Insel in Kreisen.
Nachdem diese Woche die unabhängige Presse durchsickern ließ, das es Listen mit Geschäften gibt, die Nahrungsmittel und Artikel zur Körperpflege gegen Fremdwährung verkaufen, haben viele Kubaner diese Möglichkeit energisch abgelehnt, überzeugt davon, dass „so etwas nicht sein könne“. Überraschend, bis Miguel Díaz-Canel am Freitag dieser Woche bestätigte, dass die staatliche Handelskette Cimex Nahrungsmittel gegen Devisen wie Dollar, Euro oder andere harte Währungen anbieten wird, wonach sich einige Bürger an die Überzeugung klammerten, dass man eine so aussondernde Maßnahme auf dieser Insel nicht würde einführen können.
Erinnerung ist vergänglich. Es war genau das, was Fidel Castro tat, als er im August 1993 den Besitz von Dollars autorisierte.
Erinnerung ist vergänglich. Das war genau das, was Fidel Castro tat, als er im August 1993 den Besitz von Dollars autorisierte und damit den Startschuss für das Auftauchen einer Vielzahl von staatlichen Läden gab, in denen man nur mit harter Währung bezahlen konnte. Es kamen Zeiten, in denen Bürgern ohne „Greenbacks“ das Wasser im Mund zusammen lief, wenn sie andere sahen, die Kekse, tiefgefrorene Hühnchen, Würste und Erfrischungsgetränke kauften. Ein Geschäftszweig, der wenig später damit begann, den konvertiblen Peso (CUC) als Zahlungsmittel zu etablieren.
Das alles haben wir schon erlebt, aber viele von uns erinnern sich nicht oder wollen sich nicht erinnern. Das duale Währungssystem wurde so alltäglich, dass wir uns in den vergangenen 20 Jahren daran gewöhnten, dass man für Waren mit besserer Qualität und größerer Auswahl konvertible Pesos haben musste. Der einzige Unterschied zu heute ist, mit Blick auf die letzten Jahre, dass diese Währung wieder das Schicksal unseres Landes bestimmt, ein gewisses Wohlbefinden garantiert und eine Währung mit dem Gesicht von Lincoln oder Franklin ist, die schon in den neunziger Jahren unser Leben bestimmte, heute jedoch mittels Magnetkarten.
Insgesamt also nichts Neues: Jedes Mal wenn die Plaza de la Revolución spürte dass eine wirtschaftlich kritische Situation ihre Macht ins Schwanken bringen könnte, hat sie erlaubt, dass über die Insel gewisse Winde von Marktwirtschaft wehen und eine bestimmte soziale Gruppe sich an eine Dosis von Konsum anpasst. Es sollte uns nicht überraschen, dass sich diese Strategie oft wiederholt hat, obwohl wir nicht aufhören sollten, uns über die falschen Zungen zu empören, die ein politisches System ausposaunen und ein ganz anderes praktizieren.
Unter jenen, die bis Freitag bezweifelten, dass die Geschäfte mit harter Währung auch Lebensmittel anbieten würden, mitten in einer brutalen Unterversorgung der Märkte mit nationaler Währung, war die Mehrheit die der Generation meines Sohnes. Junge Kubaner, die nach dem Aufblühen der Einkaufszentren geboren wurden und sich den freien Umgang mit dem Dollar oder dem darauffolgenden „Wechselbalg“, dem CUC, leisten konnten. Für sie basierte der staatliche Handel auf zwei Währungen: dem CUC und dem CUP…aber sie vergaßen – oder wollten sich wegen ihres Alters nicht daran erinnern – dass unter diesen bunten Scheinchen, konvertible Pesos genannt, immer das struppige Fell des Wolfs war, Dollar genannt, der sich gerade zum Besitzer der neuen Geschäfte mit harter Währung aufschwingt. Jede andere Darstellung ist ein Märchen, damit Rotkäppchen ruhig einschläft.
Übersetzung: Dieter Schubert
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.