
Die erste „Gesellschaft mit offenem Zugang“ war die US-amerikanische Republik ab dem Jahr 1775, so der Autor Carlos A. Montaner. (Archiv)
Carlos A. Montaner | Miami | 21. September 2019
In Demokratien geht es drunter und drüber, aber sie bewegen sich. Mit Ach und Krach, mit Demonstrationen und Gegendemonstrationen, aber sie bewegen sich in die richtige Richtung. Die Skandale, die im Umfeld von Odebrecht, der FIFA oder Siemens ans Licht kamen, sind dafür ein Beweis. Die Welt wechselt gerade die Haut.
Das Vereinigte Königreich weiß nicht, wie es sich von der Europäischen Union trennen soll. In Spanien und Israel können sie sich nicht auf eine Koalitionsregierung verständigen, die fähig wäre, die in beiden Parlamenten unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen miteinander zu versöhnen. In Argentinien, einem Land, das seit 70 Jahren an „Populismus“ leidet, wird man die Staatsführung wieder einer inkompetenten und unredlichen Frau anvertrauen, die das Land schon an den Abgrund brachte und es minuziös ausplünderte. Trotzdem, wahr ist was Winstons Churchill melancholisch über Demokratie sagte: …“Sie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen“.
Irgendwie, die Wahlmöglichkeiten sind überschaubar: Entweder gibt es eine Regierung, an deren Spitze allmächtige Männer stehen, oder man hat stattdessen allgemein gültige Gesetze, die eine unabhängige Judikative verwaltet.
Entweder leben wir in Staaten, wo ein Mann oder eine Gruppe von Männern befiehlt, oder – im entgegengesetzten Fall – in einem Staat, in dem eine von Gesetzen kontrollierte Exekutive von der Mehrheit akzeptiert wird, wie es demokratische Prinzipien empfehlen.
Wir bereichern uns oder wir verarmen in einem wirtschaftlichen System, in dem der Vorteil regiert und eine zentrale Macht über Gewinner und Verlierer entscheidet. Oder, im umgekehrten Fall, wir entscheiden uns für einen offenen und freien Markt, in dem Angebot und Nachfrage blind bestimmen, wer sich bereichert und wer verarmt, ohne Ansehen der Person.
Douglas North, ein brillanter nordamerikanischer Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften, beschrieb die zwei Modelle, die die Menschheit kennengelernt hat, seit sie vor mehr als 10 Millionen Jahren sesshaft wurde und Staaten gründete. North unterscheidet „Gesellschaften mit beschränktem Zugang“ und „Gesellschaften mit offenen Zugang“. (Violence and the Rise of Open Access Orders. Journal of Democracy, 2009).
Mehr gibt es nicht.
Systeme mit „eingeschränktem Zugang“ etablierten binnen kurzer Zeit eine Verteilung von Wohltaten, die bis heute anhält und darin besteht, Einkünfte unter Bossen und Gefolgsleuten aufzuteilen. Von den 200 Nationen, die es auf unserem Planeten gibt, sind 140 oder 150 Gesellschaften solche mit „eingeschränktem Zugang“; aber das ändert sich gerade. Es gibt einen unerwarteten Übergang von einem Modell zum anderen. Schon sind Privilegien nicht mehr vorzeigbar, wobei es nicht darum geht, sich am Rande von rechtmäßigen und wettbewerbsfähigen Aktivitäten zu bereichern.
Die US-amerikanische Republik war ab 1776 die erste offene Gesellschaft, die sich mit der Abfassung der „Konstitution von Philadelphia“ weiter entwickelte. Da George Washington den Plan ablehnte, zum König ernannt zu werden, wählte man ein demokratisches Vorgehen, mit dem man Souveränität auf die Wählerschaft übertrug.
Das Modell der Vereinigten Staaten von Amerika fand Nachfolger; es wurde verworfen und wieder aufgegriffen: von Frankreich; Holland, Belgien Deutschland und sogar von den 28 Ländern der Europäischen Union.
Es ist offenkundig, dass diese „Gesellschaft mit offenem Zugang“ – die als „Die Vereinigten Staaten“ das Licht der Welt erblickte – die Frauen, die schwarze und die eingeborene Bevölkerung nicht berücksichtigte, aber diese Republik war ein offenes Modell, absolut revolutionär, das es allen Personen erlaubte sich schrittweise einzugliedern.
Aus den 4 Millionen Weißen im Jahr 1790 sind 325 oder 330 Millionen Menschen geworden, mit vielen Hautfarben und Religionen, wie es der Zensus von 2020 zeigen wird. Aus den ursprünglich 2 Millionen Quadratkilometern am Atlantik, die die 13 Gründerstaaten unter sich aufteilten, sind es von Küste zu Küste mehr als 9 Millionen geworden, aufgeteilt auf 50 Staaten, den Archipel Hawaii eingeschlossen.
Das Vorbild der Vereinigten Staaten fand Nachfolger; es wurde verworfen und wieder aufgegriffen: von Frankreich; Holland, Belgien Deutschland und sogar von den 28 Ländern der Europäischen Union. Gleichzeitig, fast ganz Lateinamerika imitiert oder verwirft das offene amerikanische Modell, aber mit der Verfolgung von Korruption und von internationalen Straftaten wird die Zeit kommen, in der auch diese Länder akzeptieren, gewisse öffentliche Angelegenheiten so zu behandeln, wie es die Vereinigten Staaten tun.
In diese Richtung geht es.
Übersetzung: Dieter Schubert
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