
Eine junge Frau schreit ihre Parolen durch ein Megaphon während eine Marsches für die Umwelt in Santiago de Chile. (EFE)
YOANI SÁNCHEZ |La Habana | 16. März 2019
Greta Thunberg, 16 Jahre alt, ist schweigsam und schüchtern. Die schwedische Jugendliche gleicht jeder kubanischen dieses Alters, die verstanden hat, dass die Welt kein gepflegter und sauberer Ort ist, wie ihn Kindergeschichten beschreiben. Ihre Sorge um den Klimawandel brachte sie dazu, jeden Freitag die Schule zu schwänzen, um von den Politikern wirksame Maßnahmen zu fordern, die die Umwelt schützen. Ihre Einstellung hat sich auf die Schüler verschiedener europäischer Städte ausgeweitet, den Atlantik überquert und sogar Tausende von Lateinamerikanern angesteckt. Dennoch hat sich bis jetzt in Kuba kein Schüler der Grundschule, des Gymnasiums, kein Kollegiat oder Student dieser Initiative angeschlossen.
Die Tatsache, dass sich vergangenen Freitag die Straßen von Havanna oder anderer Städte der Insel nicht mit jungen Gesichtern füllten, die forderten, die Emissionen von Kohlendioxid zu reduzieren oder politische Sofortmaßnahmen zur Rettung des Planeten einzuführen, bedeutet absolut nicht, dass die kubanischen Kinder und Jugendlichen nicht über diese Themen nachdenken. Es zeigt vielmehr, dass es ihnen an Autonomie und an Rechten fehlt, um ihre Nichtübereinstimmung zu äußern. Die Mehrheit ist auch nicht apathisch und unsensibel gegenüber umweltpolitischen Fragen, wie oft die Erwachsenen glauben machen wollen, mit dem unheilvollen Satz: “Die Jungend ist verloren“. Schweden ist auch nicht so weit entfernt, dass man die Welle des Aktivismus nicht kennen würde, die Thunberg ins Rollen gebracht hat.
Warum sind die kubanischen Jugendlichen nicht denen aus Ecuador gefolgt, aus Brasilien, Mexiko und Chile? Die Antwort ist nicht Gleichgültigkeit, sondern Furcht.
Mithilfe der sozialen Netzwerke, des Zugangs zum Internet übers Handy und durch Gespräche unter Freunden ist es einfach, die Geschichte des Mädchens zu finden, die sich über Wochen allein auf einen Platz von Stockholm stellte, bis sie es schließlich erreichte, Tausende von Menschen auf der ganzen Welt zu inspirieren. In diesem Fall kann mangelnde Information und Unkenntnis als Rechtfertigungsgrund nicht dienen. Ebenso wenig nutzt hier das Argument, dass wir in Kuba nicht die schwerwiegenden Umweltprobleme der Industriestaaten hätten, wie es die offizielle Presse immer wieder gerne behauptet. Es genügt, die hohe Rauchsäule zu sehen, die jeden Morgen von der Raffinerie Nico Lopez in Havanna aufsteigt, um den Ernst der Lage zu begreifen. Jenseits der riesigen lokalen Emissionen oder der lokal beschränkten Verschmutzung eines Gebietes versuchen die von Thunberg initiierten Proteste auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass es sich um ein globales Problem handelt, das uns alle herausfordert. Warum also sind die kubanischen Jugendlichen nicht denen aus Ecuador, Brasilien, Mexiko, Chile und Argentinien gefolgt, die sich ihrem Aufruf anschlossen? Die Antwort ist nicht Gleichgültigkeit, sondern Furcht.
Keine der Strukturen, die die Schüler und Jugendlichen auf dieser Insel umgeben, ist darauf zugeschnitten, auf eigene Verantwortung zu handeln. Die Organisation der Pioniere José Martí, die Schülervereinigung der Gymnasien und die Studentenvereinigung der Universitäten sind Treibriemen der Macht zur Einbindung der neuen Generationen und nicht Plattformen für Interessenvertretungen, Beanstandungen und Ausüben von Druck auf die Autoritäten. Wenn der Platz der Revolution es nicht befiehlt auf die Straße zu gehen, dann tun sie es nicht. Traurigerweise gilt diese „Ausrichtung“ nur für Ziele des ideologischen Umfeldes, wie gegen das Weiße Haus zu protestieren, die Freilassung eines Spions zu verlangen oder an der Verunglimpfung von Dissidenten teilzunehmen.
Solche Unternehmungen sind dafür gedacht, die Stimme von jungen Leuten zum Schweigen zu bringen, statt sie zu verstärken. Das erklärt, warum das Beispiel von Greta Thunberg in Kuba auf Schweigen gestoßen ist.
Übersetzung: Iris Wißmüller
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