
Ein Obst-und Gemüsemarkt in Havanna
YOANI SÁNCHEZ | La Habana | 7. Dezember 2017
Auf dem Markt kommt sie ins Grübeln. Meine Mutter beurteilt weder die Größe der Tomaten noch die Qualität der Paprikaschoten; sie löst Rechenaufgaben, mathematische Operationen mit reichlich Subtraktion und Division. Mit ihrer monatlichen Rente von 250 CUP (etwa 8 Euro) darf sie keinen einzigen Centavo aus den Augen verlieren und sie ist eine Expertin in solchen täglichen Rechenaufgaben.
Die Lebenshaltungskosten verbinden den Wert von Gütern mit der Lebensqualität; für den Großteil der kubanischen Rentner ist es eine Gleichung, deren Lösung jeden Tag eine größere Zahl wird. Die, die solche Steigerungen am schlechtesten aushalten, sind jene, die weder Hilfe noch Überweisungen (aus dem Ausland) erhalten, oder – wegen schlechter Gesundheit – keiner Nebentätigkeit nachgehen können, wie Zigarren auf der Straße zu verkaufen.
In den Läden und Markthallen erkennt man sie am Blick. Es sind die, die aufmerksamer als andere auf das Brettchen mit den Preisen schauen und dabei nur ein paar Münzen in ihren Händen halten. Oft tragen sie Kleidung, die mindestens zwanzig Jahre alt ist, und so lange ist auch schon das Lächeln aus ihren Augen verschwunden. Sie warten darauf, dass es Nachmittag wird, um ein paar im Preis herabgesetzte Produkte zu ergattern.

Die Tomaten bilden die Zahl 5, die Paprikaschoten eine 19 und die kleinen Cachucas zum Würzen der Bohnen fügen sich zu einer skandalösen 16 zusammen. (14ymedio)
Während des ganzen Tages rechnen sie; sie leben mit Ziffern und Zahlen. Wenn sie ihre Einkaufstasche leeren, dann schieben sich die 19 CUP, die das Pfund Paprika gekostet hat, zwischen ihre Augen und der Ware. Die Tomaten bilden eine 5, die Paprikaschoten eine 19 und die kleinen Cachucas zum Würzen der Bohnen fügen sich zu einer skandalösen 16 zusammen.
Bei einem einzigen Marktbesuch geben Rentnerinnen, wie meine Mutter, den siebten Teil ihrer Rente aus. Zahlen lügen nicht; hier liegen sie auf einem Tisch, um daran zu erinnern.
Übersetzung: Dieter Schubert
Wir, das Übersetzerteam von 14ymedio, wünschen den Lesern unserer Seite ein glückliches und erfolgreiches Neues Jahr 2018.
Anja, Berte, Eva, Lena, Nina und Dieter
________________________________________________________________________
Das Team von 14ymedio setzt sich für einen seriösen Journalismus ein, der die Realität Kubas in all seinen Facetten widerspiegelt. Danke, dass Sie uns auf diesem langen Weg begleiten. Wir laden Sie ein, uns weiterhin zu unterstützen, diesmal aber durch die Mitgliedschaft bei 14ymedio. Gemeinsam können wir den Journalismus auf Kuba weiter transformieren.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.