
All diese dummen Vorurteile, die auf dieser Insel kaum abgenommen haben, führen dazu, dass uns das Talent genommen wird, das wir haben
YOANI SÁNCHEZ | GENERACIÓN Y | 1. Juli 2017 Ein Mann schaut mich von oben herab an, weil ich über Kabel und Stromkreise spreche. Er verzieht missfallend das Gesicht, als er meine nicht manikürten, kurz geschnittenen Fingernägel sieht und ärgert sich, weil ich seine „Komplimente“, die ich eigentlich gerne und dankbar annehmen sollte, ablehne. Er spricht es nicht aus, aber für ihn bin ich nur eine Kreatur, die schön anzuschauen sein soll, sich um den Haushalt kümmern und Kinder auf die Welt bringen soll.
Es ist ein kräftezehrender Kampf. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute müssen wir kubanischen Frauen – und viele weitere Frauen aus anderen Teilen der Erde – uns mit dieser Häufung an Dummheiten herumschlagen. „Das kannst du nicht; lass das doch deinen Mann machen“ ist einer der netteren Sätze, die sie zu uns sagen, obwohl ich auch schon andere habe sagen hören, dass „die Frauen nur sprechen, wenn die Hennen pinkeln“, was schlichtweg nie bedeutet.
Ein Journalist fragt mich vor laufender Kamera, wie ich mein Dasein als Mutter mit meiner Arbeit als Leiterin einer Zeitung in Einklang bringe. Obwohl ich versuche, das Gespräch in eine rein berufliche Richtung zu lenken, besteht er darauf, auf meine Eierstöcke zu verweisen. Ein politischer Polizist macht sich lustig über mich, weil mein Haar zerzaust ist. Wahrscheinlich stören ihn meine Texte mehr, aber er verspürt eine besondere Freude, wenn er meine Weiblichkeit „angreifen“ kann. Was für eine Zeitverschwendung.
Letzten Endes musste ich schon 1001 Mal den Versuchen entkommen, mich in eine Schublade stecken zu lassen. Diese Schublade, wo wir still sein, uns alles gefallen lassen, lächeln und ertragen müssen; wo wir mit Anmut die Chauvis anlachen und uns von ihren Sprüchen geschmeichelt fühlen sollen. Eine verkehrte Welt, die dazu führt, dass die Gesellschaft ihren Kern verliert und nur noch die Schale übrig bleibt.
All diese dummen Vorurteile, die auf dieser Insel kaum abgenommen haben, führen dazu, dass uns das Talent genommen wird, das wir nicht nur als Frauen, sondern vor allem als Menschen haben.
Übersetzung: Eva-Maria Böhm
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