Der Tag der Frau auf Kuba, seit jeher ein wichtiges Datum

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Am Tag der Frau finden in Kuba keine Protestmärsche statt – als ob das Leben der Frauen in diesem Land das reinste Zuckerschlecken wäre. (Silvia Corbelle)

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YOANI SÁNCHEZ  | GENERACIÓN Y | 08. März 2017    Im Bett liegend, bei ausgeschaltetem Licht, spürt sie wie jede Faser ihres Körpers einen Klagelaut ausstößt. Nach der Arbeit hat sie vier Stunden in der Küche verbracht, ihre invalide Mutter gebadet, mit den Kindern Hausaufgaben gemacht, Einkäufe erledigt und einen Verwaltungsbericht vorbereitet. Im Fernsehen bekunden die Sprecher Glückwünsche anlässlich des Tages der Frau, aber es klingt wie ein weit entferntes Echo, das ihr Leben nicht beeinflusst.

An diesem 8. März wird früher Feierabend gemacht, Funktionäre halten herzliche Reden und in den Läden werden die Blumen knapp. Die Zeitungen sind voll von Bildern von Frauen, die Zuckerrohr schneiden, ein Kind zur Welt bringen und ein Gewehr über der Schulter tragen. Die Politik darf natürlich auch nicht fehlen. Der Regierungsapparat macht sich diesen Tag zunutze, um sicherzustellen, dass wir Kubanerinnen erst „seit Januar 1959“ respektiert werden*.

Als ob das Leben der Frauen in diesem Land das reinste Zuckerschlecken wäre, ist kein Protestmarsch geplant und keine Forderungen werden laut.

Das nationale Sinfonieorchester bereitet ein Sonderkonzert vor und das Postamt verkauft ziemlich geschmacklose Postkarten, während der Dachverband der kubanischen Gewerkschaften den Tag Fidel Castro und der „ewigen Präsidentin der Vereinigung Kubanischer Frauen“ Vilma Espín Guillois widmet. Und als ob das Leben der Frauen in diesem Land das reinste Zuckerschlecken wäre, ist kein Protestmarsch geplant und keine Forderungen werden laut.

Der Lärm der Musik, die Werbeslogans und die Euphorie übertönen unser Klagen. An dem Tag, der gezwungenermaßen Feiertag wurde, ist es nicht erlaubt, Protest aufkommen zu lassen und – ganz ungezwungen – über die Probleme unseres täglichen Lebens zu sprechen. „Heute ist der Tag, an dem Frauen geehrt werden, da beschwert man sich nicht“, werden viele sagen; aber morgen werden andere Themen die Tagesordnung bestimmen und es wird auch kein „guter Moment“ sein, um darüber zu reden.

Als Folge hat die hat die Protestaktion #NosotrasParamos, mit der Frauen für mehr Gleichberechtigung und gegen den Machismo auf die Straße gehen, hier keinen Platz, obwohl sich 45 Länder den Protesten angeschlossen haben, um Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zu fordern. Die fehlende Unabhängigkeit der Frauenverbände und ihre Unterordnung gegenüber der Regierung verhindern es, dass wir für diesen Prostest mit Schildern und Forderungen auf die Straße gehen.

Machismo und Geschlechterdiskriminierung füllen alle Bereiche unseres täglichen Lebens aus. In den Medien erzählt ein eingängiges Kinderlied die Geschichte einer Ameisenmutter, die ihre Tochter dazu auffordert, ihre Spielsachen wegzulegen und ihr mit dem Bügeln, Kehren und Abspülen zu helfen; aber das eigensinnige kleine Mädchen spielt lieber mit ihren Puppen. In den Schulen bereiten Lehrerinnen rosafarbene Küchen und Kinderbettchen für Mädchen vor, während kleine Autos und Spielzeugwaffen den Jungen vorbehalten sind. Am Arbeitsplatz fühlen sich Chefs dazu befugt, Frauen zu schmeicheln, zu bedrängen und sie unsittlich zu berühren, oftmals in dem Glauben, dass „es ihnen gefällt“.

Die Macht liegt weiterhin bei einem veralteten und abgedroschenen, angeblich „ritterlichen“ Machismo, der von Schmeichelei bis hin zu Beleidigungen gegen Rockträgerinnen alles umfasst.

Im öffentlichen Leben werden wir als dekoratives Beiwerk angesehen, als eine notwendige Geschlechterquote oder einfache Rädchen im ideologischen Getriebe. Die Macht liegt weiterhin bei einem veralteten und abgedroschenen, angeblich „ritterlichen“ Machismo, der von Schmeichelei bis hin zu Beleidigungen gegen Rockträgerinnen alles umfasst. Jene die seine Ideologie teilt, ist eine „wunderschöne Blume der Revolution“; die anders Denkende verdient nur eine vulgäre Beschimpfung, die unsere Moralität in Frage stellt.

Die feministische Bewegung auf Kuba ist tot. Dieses System hat sie umgebracht, weil es ihr die Autonomie nahm, jeglichen Diskurs über ihre Forderungen unterband und das falsche Versprechen aufzwängte, dass die Frau sich bereits vor fünf Jahrzehnten emanzipierte. Alles eine Farce, die das Drama von Millionen von Frauen verbirgt, die zu einem doppelten oder dreifachen Arbeitspensum verdonnert werden, sexueller Belästigung ausgesetzt sind und jeden Tag nur mit einer Dosis Antidepressiva überleben.

Frauen sind das Hauptopfer der langen Wirtschaftskrise, die wir erlebt haben. Die Unterversorgung zwingt sie in lange Schlangen, um Lebensmittel zu kaufen, und setzt sie dem Druck aus, jeden Tag ein neues Gericht „erfinden“ zu müssen. Die beschleunigte Emigration hat sie von ihren Kindern getrennt und der Stellenabbau hat sie wieder in den Haushalt und zurück an den Herd verschlagen.

Wo sind die Zahlen der von ihren Partnern ermordeten oder geschlagenen Frauen? Wo kann eine verfolgte Ehefrau Zuflucht finden, die sich vor der nächsten Tracht Prügel fürchtet?

Die Zahlen von berufstätigen Frauen, Abgeordneten in der Nationalversammlung, Wissenschaftlerinnen in weißen Kitteln oder Sportlerinnen können die andere Seite nicht verbergen. Die der geschlagenen Frauen, bedroht von einem Partner, der ihnen geschworen hat sie umzubringen, wenn er sie mit einem Anderen sieht. Die Seite derer, die innerhalb oder außerhalb der Ehe vergewaltigt wurden oder Sex gegen eine Beförderung eintauschen mussten.

Wo sind die Zahlen der von ihren Partnern ermordeten oder geschlagenen Frauen? Wo kann eine verfolgte Ehefrau Zuflucht finden, die sich vor der nächsten Tracht Prügel fürchtet? Weshalb spricht man nicht über Mord an Frauen in den nationalen Medien, wo doch jede von uns mindestens einen Fall kennt, in dem der Wahnsinn des Machismo ein Leben kostete?

Heute ist kein Tag um zu feiern, sondern einer um sich Sorgen zu machen. Ein Tag der Forderungen, der von der Musik eines Machismo übertönt wird, der uns keine eigene Stimme gewähren möchte.

Anmerkung d. Übers.:

* Am 1. Januar 1959 siegte die kubanische Revolution, was den Beginn einer neuen Ära der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau markieren sollte.

Übersetzung: Lena Hartwig

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