SOS: Die Strände im Osten brauchen Hilfe

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Foto: Holzstücke, große Steine und manchmal Betonteile am Meeresufer

Es sind Schulferien. Die Bushaltestellen sind brechend voll von Müttern und Kindern, die den Tiergarten, das Aquarium oder einen anderen Ort aufsuchen wollen, an dem man sich amüsieren kann. In Habana Vieja, dem historischen Stadtkern Havannas, gibt es keinen einzigen Winkel, in dem man nicht auf die Kleinen trifft, die ein Eis verlangen oder am Rock der Großmutter ziehen, weil sie eine Pizza wollen. Vor den Vergnügungsparks warten die Menschen in langen Schlangen darauf, Autoskooter zu fahren und sich in Achterbahnen das Haar zerzausen zu lassen. Währenddessen greifen die Eltern zögernd in ihren Geldbeutel. Sie wissen, dass man meistens nur mit konvertiblen Pesos Süßigkeiten und Erfrischungsgetränke kaufen kann, wobei man den Eintritt ins Museum oder ins Kino in der Landeswährung bezahlt. Die Schulen sind bis zum nächsten Montag menschenleere Orte der Stille.

Auch mein Sohn, der gerade in diesem schwierigen Alter zwischen Kindheit und Jugend ist, genießt seine Ferienwoche. Gestern wollte er ein bisschen am Strand im Osten Havannas schwimmen gehen, weshalb wir uns zusammen mit meinem Vater, der schon seit Ewigkeiten keinen Sand mehr unter den Füßen gespürt hatte, auf den Weg dorthin machten. Das Meer war wie immer wunderschön, die Sonne tat dort oben ihre Pflicht und ein paar Wolken spendeten uns sogar etwas Schatten in dieser glühenden Hitze im April. Die Natur hätte an diesem Nachmittag wohl die beste Note bekommen. Eine Mischung aus Schlampigkeit und Vernachlässigung hat jedoch die Küstenlandschaft verändert, die ich schon seit meiner Kindheit sehr gut kenne. Natürlich ist der Bereich für Touristen – gegenüber dem Hotel Tropicana – makellos sauber, mit Polizisten, die ihre Runde machen, damit kein Kubaner die Ausländer „belästigt“. Außerhalb dieses Komfortbereichs bleibt jedoch nur der Schauplatz einer echten Umweltkatastrophe für die Einheimischen übrig.

Der Sand ist keine ebene Fläche mehr, die in sanften Wellen verläuft. Nahe am Meer ist er grau und fest, während der Wind die feineren Sandkörner auf gewaltige Dünen geweht hat, die mit dornigen Pflanzen bedeckt sind. Zwischen der Straße und dem Bereich, wo sich die Sommerurlauber aufhalten würden, tun sich jetzt diese Hügel auf, die es erst einmal zu überwinden gilt, wenn man sich im Wasser abkühlen will. Steine, Betonteile und sogar Holzbalken liegen am Ufer mehrerer Küstenabschnitte. Boca Ciega, der Strandabschnitt, den vor dreißig Jahren Familien und vor zwanzig Jahren Prostituierte mit ihren Freiern aufsuchten, ist heute ein Bereich, der in Sachen Sanitäranlagen, Cafés oder Sonnenschirme nicht einmal mehr ein Minimum an Service zu bieten hat. Er sieht aus wie ein Schlachtfeld nach einem Bombenangriff. Sich die Schuhe auszuziehen und einen kleinen Spaziergang zu machen, ist wegen der Glassplitter und Metallteile keine gute Idee. Ganz zu schweigen von dem Abschnitt, den man unter dem Namen Guanabo kennt, wo immer noch Abwasserkanäle ins Meer führen. Das Schlimmste ist, dass sich in den Gesichtern der Ortsansässigen das Vergessen widerspiegelt, der Verzicht und die einstige Pracht, die zu Staub zerfallen ist.

Mein Sohn machte ein paar Schwimmzüge im Wasser, während ich mich, erwachsen wie ich bin, an alle Sandburgen erinnerte, die er dort gebaut hatte. Ich rief mir diese winzigen Festungen ins Gedächtnis, von deren hohen Türmen aus die Zukunft schöner und besser erschien.

Übersetzung: Falko Blümlein

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Foto: Der Sand ist zurückgewichen und hat sich in großen Dünen angesammelt

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Foto: Baustrukturen, die vom Meer und von Wirbelstürmen zerstört wurden

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Foto: Nachlässigkeit und Umweltschäden gefährden die Strände im Osten Havannas

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