In der langen Liste der in meiner Kindheit verbotenen Wörter gab es zwei, die besonders streng zensiert waren: ‘Weihnachten‘ und ‘Menschenrechte‘. Das erste Wort hörte ich gelegentlich, geflüstert aus dem Munde einer Großmutter, die noch die mit Girlanden behangenen Bäume, die typischen Weihnachtssüßigkeiten aus Alicante und den Truthahn gekannt hatte. Das andere Wort aber, das zweite, wurde nur verächtlich in Anspielung auf diejenigen gemurmelt, die – wie es hieß – in konterrevolutionäre, feindselige Handlungen verwickelt waren. So wuchs ich heran, ohne die Festivitäten der letzten Woche im Jahr zu kennen, und im Glauben, dass sich hinter dieser von den Vereinten Nationen verabschiedeten Erklärung Böses verbarg. Mein gefilterter Wortschatz bewirkte, dass ich eine angstbeladene bürgerliche Haltung annahm und mich den endlos vielen Verboten fügte.
Im Dezember dieses Jahres sind in den Geschäften blinkende Lichter angebracht und mit Glitzerzeug geschmückte Bäume aufgestellt. Ein Weihnachtsmann, der kaum einen Bauch hat, lächelt im Schaufenster eines wichtigen Einkaufszentrums der Stadt. Menschen treffen sich und genießen bei jeder Silbe Redewendungen wie ‘Frohe Weihnachten‘, ‘Ich mache gerade Weihnachtseinkäufe‘, ‘Kommt doch zu uns, um Weihnachten zu feiern‘. Dem begrenzten Wortschatz meiner Kindheit wurde ein Wort zurückgeben, ein jahrzehntelang verdammter Begriff. Dennoch sagt mein Nachbar von nebenan immer wieder: ‘Vorsicht, komme ihnen nicht zu nahe, das sind Leute, die für die Menschenrechte eintreten‘. Auf einem der Hetzveranstaltungen im Land könnte gerade jetzt jemand schreien: ‘Nieder mit den Menschenrechten‘, und die an der Ecke stationierte politische Polizei bestätigt per Funk: ‘Ja, da kommen welche von den Menschenrechtlern‘. Und immer wieder bittet uns ein Freund, leise zu sprechen, ‘denn wenn du über solche ‘Themen’ reden willst, ist es besser, die Musik lauter zu stellen‘.
Sogenannter ‘Schnee‘ fällt auf die roten Weihnachtsmützen, aber ein großer Platzregen löst ihn auf und lässt ihn schmelzen: der Regen der Intoleranz, die großen Tropfen der Verhaftungen, der Sturm, der sich auf dieser Insel erhebt, wenn jemand wagt, den Begriff ‘Menschenrechte‘ auch nur aussprechen.
Übersetzung: Angelika Münch-Holzmeier
Ja, es scheint so, als seien die Kubaner nicht davor gefeit, wie die Menschen überall, all die Lügen zu schlucken, die ihnen vorgesetzt werden. Und du musst gar nicht so weit gehen, um zu sehen, wie die Menschenrechte mit den Füßen getreten werden. Schau vor unsere eigene Haustür: Menschenrechte … wo
– Politiker mit Milliardenbeträgen eine außer Rand und Band geratene Finanzindustrie stützen, die alle mit ihrer maßlosen Geldgier in den Abgrund reißen wird ???
– Politiker wochenlang darüber feilschen, ob die Ärmsten der Armen etwa 5 Euro mehr Unterstützung erhalten können und sich trotzdem noch an den Suppenküchen der Wohlfahrtsverbände erniedrigen müssen ???
– Politiker dafür sorgen, dass sechs Millionen Arbeitsplätze vom Steuerzahler subventioniert werden. (Sollten dies nicht vielleicht die Unternehmer selbst tun? Sind sie nicht in der Lage dazu? Ha!! Schaut euch mal die Zahlen über die Zuwächse der Unternehmensgewinne an! … oder die Entwicklung von Reichtum auf der einen Seite und Armut auf der anderen!) ???
– …
Diese Liste könnte ich unendlich erweitern. Aber ich möchte nicht herunterspielen, und deutlich sagen, dass auch das Recht, seine Meinung frei zu äußern, sich friedlich zu versammeln, seine religiösen Feste zu feiern … ja, auch das gehört zu Menschenrechten.
Ich bin mir nicht sicher, aber in einem scheinen sich unsere beiden Länder sehr ähnlich zu sein: auf der einen Seite eine von Finanzkapital oder anderen Zwängen abhängige Führungsriege und auf der anderen Seite ein in Starre verharrendes Volk, das sich wie devote Untertanen benimmt, die dem Staat zu gehorchen haben. Andere Länder zeigen uns, dass wir niemandem zu gehorchen haben, außer unserm Gewissen! Der Staat – wer bitteschön ist denn das?
Aber wo gibt es das schon? Jedenfalls scheint mir: Der ganze arabische Frühling wurde vom Westen verschlafen und ganz besonders von Deutschland und ich kann nur hoffen, auch bald mal sagen zu dürfen: Herrschaften, eure Party is aus!
Und Kuba? … wird wohl seine Herrschaften auch zum Teufel jagen um dann im Geschacher mitmischen wollen, um einen noch Krümel vom großen Kuchen abzubekommen.
Französische Menschenrechtserklärung vom 26. August 1789: http://www.heinrich-heine-denkmal.de/dokumente/fr-menschenr-d.shtml :
“ … haben in der Erwägung, dass die UNKENNTNIS, das Vergessen oder Verachten der Menschenrechte die alleinigen Ursachen des öffentlichen Unglücks und der Korruption der Regierungen sind, beschlossen, in einer feierlichen Erklärung die natürlichen, unveräußerlichen und heiligen Rechte des Menschen darzulegen, …“ – die Mutter der oben zitierten Erklärung.
Willkommen im Boot, Kuba!
Das ist eine prima Idee, Weihnachten und Menschenrechte in einem Beitrag zusammenzufassen! Die beiden stehen doch im umgekehrten Verhältnis zueinander: umso mehr die Menschenrechte zum Problem werden, um so lauter und glänzender feiert man Weihnachten.
Ich möchte meine Sorge um die Menschenrechte auf Kuba nicht verheimlichen.
Nehmen wir den Artikel 23 zum Beispiel (ich nehme Bezug auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: http://www.ohchr.org/EN/UDHR/Pages/Language.aspx?LangID=ger). Hier wird es immer ernster und nicht der böse Yankee ist hier schuld, sondern die Kommunistische Partei selbst, die nach 50 Jahren Stolz auf dem letzten Parteitag den Artikel 23 praktisch an die Abschussliste aufgenommen hat.
Oder den Artikel 26. Hier ist Kuba immer noch ein Stern der Hoffnung in der Region aber… schaut man genauer ist doch nicht alles so rosig. In der Provinz Guantanamo sind vor ein Paar Monaten 23 kleinste Schulen (1-5 Schüler) geschlossen worden. Die Begründung ist widerlich: die Wirschaftlichkeit (…creación de los centros mixtos, cuyo principal objetivo es emplear mejor los recursos humanos, tecnológicos… Se trata de otra manera de ahorrar.). Wer Nerven hat, kann hier weiter lesen: http://www.venceremos.cu/pags/varias/Lomerio/centro_mixto_mais%C3%AD_3024288.html
Kein Land der Welt hat nicht mal annährend die Ziele der „Allgemeinen Erklärung“ erreicht. Kuba war lange ein Beispiel für die Region, nun sehe ich aber schwarze Wolken auf dem Horizont.
Noch trauriger, was Yoani über Weihnachten schreibt. Hinter dem christlichem Hokus-Pokus steht im besten Fall Kommerz, im schlimmsten Blutvergiessen. Jorge Ubico, Trujillio, Batista, alle Diktatoren der Region haben ihren Völkern möglichst grösste Weihnachtsfreuden geschenkt. Lassen sich die Kubaner betrügen?
Der Artikel ist eine Glanzleistung!! Ein wahrer Spannungsbogen bis hin zu den beiden letzten Zeilen! Die sind die Krönung!!! Sorry, aber ich hab selten sowas billiges wie das hier gelesen und ich fürchte, das liegt nicht an der Übersetzung.
Hmm, vielleicht eine etwas schwerfällige Übersetzung?