Das Kapitol*, Rum, an Straßenecken gespielte Salsa-Musik, Autos, die äußerlich wie Sammlerstücke aussehen, obwohl sie unter der Karosserie allmählich zerfallen. Dies und mehr kann man in der Folge von „Spanier in aller Welt“** sehen, die in Havanna gedreht wurde. Fünfzig Minuten mit Geschichten von asturischen, galicischen und andalusischen Einwanderern, die mit ihren Träumen den Atlantik überquert haben. Alles ist hübsch und himmelblau, mit Salzflecken übersäht; aber irgendetwas stimmt da nicht.
Während ich die Serie anschaue, habe ich den Eindruck, dass mir von einem anderen Land erzählt wird, von einer fernen, sepiafarbenen Dimension. Die Anekdoten aus dem Leben der sieben Protagonisten spielen sich für mich in Sphären ab, die nichts mit dem alltäglichen Leben auf Kuba zu tun haben, das ich kenne. Und obwohl ich mir, um mich zu beruhigen, immer wieder sage, dass diese Serie von Inselbewohnern handelt, die aus einem anderen Teil der Welt hierher kamen, und nicht von in ihrem eigenen Land verlorenen Kubanern, kann ich nichts gegen das Gefühl des Betrogenseins tun, das in mir aufkommt, als sie den Abspann einblenden.
Die Drehbuchautoren unterschlagen geschickt die Tatsache, dass die interviewten Menschen über Vorrechte verfügen, die für die Einheimischen unerreichbar sind. Sie erwähnen nicht, dass ein Abend in der Bodeguita del Medio*** oder im Cabaret Tropicana****, ein Büro im Bacardí-Gebäude, die Leitung einer Kosmetik- oder Zigarrenfirma oder ein Abendessen mit Languste und Wein Privilegien sind, die sich fast ausschließlich dem Geldbeutel von Ausländern eröffnen. Ganz zu schweigen von dem herrlichen Jachtausflug in einer der letzten Szenen: Ein Vergnügen, das 11 Millionen Kubanern per Gesetzt verboten ist. Diesem modernen und unterhaltsamen Fernsehprogramm mangelt es an der Darstellung des Ungleichgewichts, daran, die Kluft aufzuzeigen, die diese Spanier von Welt von uns hier geborenen Kubanern unterscheidet.
Anm. d. Ü.
* Das Kapitol in Havanna war von 1926 bis zur Revolution 1959 Sitz der kubanischen Regierung. Heute dient es unter anderem als Kongresszentrum.
** „Españoles en el mundo“, frei übersetzt „Spanier in aller Welt“, ist ein spanisches Fernsehformat, das das Leben von ausgewanderten Spaniern in den verschiedensten Ländern der Welt portraitiert.
*** Die Bodeguita del Medio ist die wohl berühmteste Bar Havannas und Kubas, in der schon viele Persönlichkeiten wie Ernest Hemingway und Gabriel García Marquez verkehrten.
**** Das Cabaret Tropicana ist ein berühmter kubanischer Nachtclub. Vor der Revolution war es der angesagteste Nachtclub in der Karibik. Frank Sinatra und Josephine Baker sind hier schon aufgetreten.Übersetzung: Florian Becker
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