Er war der erste nordamerikanische Präsident, gegen den ich eine Parole schrie. Ich erinnere mich nicht mehr an den genauen Wortlaut dieser Beschimpfung, da inzwischen fast dreißig Jahre vergangen sind. Ich weiß jedoch noch, wie sich meine geballten Fäuste anfühlten, meine weiß-rote Uniform, die bei jedem Schrei erbebte, den ich gegen Jimmy Carter ausstieß, der unsere Insel zerstören würde -wie unsere Vorschullehrerin behauptete- die Palmen, die Schulbänke und unsere Fröhlichkeit.
Drei Jahrzehnte später bin ich hier in Havanna und unterhalte mich mit ihm zusammen mit anderen
bekannten Gesichtern unserer beginnenden Zivilgesellschaft. Für kurze Zeit bin ich wieder jene kleine Pionierin, versunken in der Hysterie der politischen Slogans, und dieser Mann, mit dem ich rede, passt nicht in die Rolle des Staatsmannes, der das Ziel meiner Beschimpfungen war. Jetzt ist er ein Vermittler, ein Mann, der keineswegs daran interessiert scheint, Kuba von der Landkarte auszuradieren, wie man mir einst in der Vorschule versicherte. So kommt es, dass das Mädchen, das der „neue Mensch“ werden sollte und der Exkommandant der Streitkräfte der Vereinigten Staaten sich in einem Moment ihres Lebens getroffen haben, in dem keiner von beiden die gleiche Position wie damals hat. Nun führte der Lebensweg von beiden zum Dialog, obwohl wir uns damals als Gegner auf irgendeinem Schlachtfeld hätten töten können.
Ich sehe ihn reden und frage mich, ob er weiß, dass ich ausgebildet wurde, um ihn zu hassen. Ist ihm bewusst, dass er der Böse in meinen Kindergeschichten war, das Antlitz von grotesken Karikaturen in der offiziellen Presse, der Mann, dem unsere Staatspropaganda die Schuld an all unseren Übeln zuschob? Natürlich weiß er es und dennoch streckt er mir seine Hand entgegen, spricht mich an und richtet eine Frage an mich. Trotzdem lässt mir der Mann, der einst „der Feind“ war, freundliche Worte zukommen.
Außerhalb vom Hotel Santa Isabel, wo wir versammelt sind, wiederholt ein anderes Mädchen in irgendeiner Schule der Region ihre Parolen, ballt die Hände zu Fäusten, brüllt und konzentriert sich auf das Gesicht eines Mannes, von dem sie sagt, dass sie ihn verabscheut. Zum Glück wird auch sie die Worte, die sie in dieser Minute schreit, vergessen und die Hass-Parolen, die man sie heute im Chor aufsagen lässt, aus ihrem Kopf tilgen.
Übersetzung: Iris Wißmüller
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Carter hat nun sein Besuch detalliert beschrieben:
http://www.cartercenter.org/news/trip_reports/cuba-march2011.html
Über das Treffen mit Dissidenten ein Satz. Sie haben sich beschwert, dass es schwierig ist, Ausweise und Führerscheine zu bekommen. Alles.
Mag sein, auch die Granma verutreit die Bürokraten.
Aber ist das schon die ganze kubanische Opposition? Ausweise und Führerscheine!!! Kindergarten, keine Opposition.
Das geschenk gefält mir.
Ja, ist das nicht wunderbar, wenn man erkennt, der Klassenfeind ist auch nur ein Mensch?
y porque no como el salvador, francisco?
cuba tiene que ser libre igual que alemania..saludos pueblo de alemania…
Nah, den letzten Absatz fand ich aber nicht so schön. Klingt so als wüde Y sich geradezu herbeiwünschen, dass dem so ist.
Im übrigen waren sich die USA und Kuba noch nie so nahe wie unter der Carter- Ära. Als zwischenzeitlich Carter aufgrund de sogenannten Mariel -Affäre, in einem innenpolitischen Desaster unterzugehen drohte, kurz vor den Wahlen, entschärfte die kubanische Regierung die Situation indem sie mit Carter ein Abkommen traf über festgelegte Quoten in der legalen Ausreise. Genützt hat es wenig, Carter verlor die Wiederwahl, Hardliner Reagan kam dran und das an sich vernünftige Abkommen wurde ausser Kraft gesetzt.
Geniales Geschenk. Carter war selbst in peanut business. Sympatisch.