Endzeitboten

colmillos

Ich springe aus dem Bett, draußen brüllt ein Lautsprecher. Ich verstehe nicht, was er sagt, aber ich wasche mir das Gesicht, als wäre es das letzte Mal. Vielleicht ist es der Krieg, der in den letzten Tagen so oft angekündigt wurde. Mein Sohn schläft sehr lang und ich habe den Wunsch ihn aufzuwecken, um ihn zu warnen, doch ich verstehe die Worte nicht, die aus dem Transporter schallen, der sich schon in Richtung der Avenida entfernt.

Wann werden uns diejenigen, die uns in Schrecken versetzen, Rede und Antwort stehen? Die Leute, die vor unseren Augen seit Jahrzehnten immer wieder das Gespenst des Untergangs auftauchen lassen. Es ist sehr einfach, einen Krieg vorauszusagen und nach ihm zu schreien, wenn man einen Bunker, Soldaten und eine kugelsichere Weste hat. Diesen Endzeitboten täte es gut, hier zu sein, zwischen dem Tuten der Hupe und meinem Sohn, der die Augen öffnet und erschrocken fragt: „Mami, was ist los, warum ist draußen ein solcher Lärm?“

1539 clicks in den letzten 24 Stunden.

6 Gedanken zu „Endzeitboten

  1. Liebe Sabbi und Karl Eduard, danke für eure Kommetare. Ich habe sie beim Frühstück gelesen und viel darüber gelacht. Wirklich gut! Ich habe jetzt leider keine Zeit, sie zu kommentieren, muss los. Jungs, weiter so! Gruß Ernesto.

  2. Ah, ja. Habe ich auch auf Ria Novosti gelesen. Genosse Castro sagte zum 8. oder 9. Male den Krieg Amerikas gegen den Iran voraus, dann muß er ja nun endlich kommen, denn DIE PARTEI irrt sich nie.

    Wir grüßten uns damals übrigens mit „atomfreies Wochenende“, wenn wir von der Kaserne in den Urlaub gingen oder wenn es nachts einen Überschallknall gab, dann scherzte schon mal einer „in 15 Minuten kommt der Gegenschlag“. Letztendlich hatte dann aber doch jeder seine Alltagssorgen, obwohl die Angst vor Krieg schon in uns war. Um so erschütterter war ich, als ich sah, Bundeswehrsoldaten sind auch ganz normale Menschen ohne Hörner und Klauen. Und der Feind bestand aus lauter netten, angenehmen Leuten mit höflichen Umgangsformen.

    Die Hoffnung, Latainamerika würde von der Zerstörung des Westens profitieren, die ist nun aber sehr lustig. Ich meine, wer hindert denn die Genossen im Reiche Chavez Innovationen zu entwickeln, nach denen der Westen oder Arabien gierig ist? Die müssen sogar Kalaschnikow-Fabriken importieren! Israel ist so ein winziges Land und macht doch die meisten Erfindungen, auf die Bevölkerungszahl gerechnet. Wie kommt jemand darauf, wenn sich der Westen atomar vernichtet hat, nun würden die Latainamerikaner plötzlich alle zu Forschern und Entwicklern?

  3. LiebeClaudia, Ernesto und Karl Eduard,
    das war ein Kommentar den ich so nicht hätte besser formulieren können!!! Obwohl ich der DDR augewachsen bin, ist mir die sogenannte „vormilitärische Ausbildung“ noch in guter Erinnerung! Immer war eine Bedrohung aus dem Westen vorhanden, immer musste man wachsam vor dem Gegner sein, der gerade seinen Wochenendausflug mit der Familie machte.(was wir aber erst nach der Wende erfuhren)
    Ich wohne jetzt in einer ehemaligen Militärwohnung, und Lautsprecher gab es hier in jedem Hausflur! Damit war der Alarmweg noch kürzer als auf Kuba.
    Und was das Ende des Atomkrieges betrifft: Wenn er kommt, dann erwischt es uns alle, egal wo wir leben!
    Zu Lateinamerika fällt mir noch eine schöne Episode ein, die unser frisch von der Parteischule verabschiedete Junggenosse in unseren damaligen Betrieb verbreitete. (1985!!!)
    Wisst Ihr warum die UDSSR den ganzen Weizen aus den USA aufkauft? Die lagern den ein, und wenn es den USA schlecht geht verkaufen sie ihn mit Gewinn zurück!
    Das hätte auch von Fidel stammen können!

  4. Ich bin kurz nach der Revolution geboren und soweit ich mich zurück erinnern kann, auf Kuba gab es immer einen Krieg im Anmarsch. Die Kriegsparanoia gehört zu dieser Revolution, genauso wie die materielle Misere – Beide Erscheinungen dienen der Legitimierung der Macht. Ich glaube, die Kommunisten gestalten ihre Welt nach einer einfachen Formel: Den Menschen darf es nicht zu gut gehen, sonst neigen sie zur Bequemlichkeit und bauen sich ein Nest abseits der Revolution. Die Menschen – so denken sie, ohne es explizit zu artikulieren – müssen im Dreck gehalten werden, damit sie nicht auf dem Geschmack des eigenen „Ich“, der Familie, des schönen Zuhause kommen.
    Genau, sie müssen immer auf Trab, wie Pferde vor der Kutsche gehalten werden. Sie müssen in der Hitze des Nachmittags und ohne Grund in die Zuckerfelder gescheut werden, am Sonnabend Militärübungen absolvieren, zu Mittag eine versalzte Erbsensuppe bekommen und Durst ertragen, am Sonntag wieder an einer Demo teilnehmen und bis zur Ohnmacht vulgäre Parolen schreien. Sie müssen in der Zeit, wo die Telenovela im Fernsehen ausgestrahlt wird, eine alberne Rede von Fidel oder Chávez ertragen. Und wenn sie an einem freien Sonnabend ausschlafen wollen, dann müssen sie von aufdringlichen Lautsprechern geweckt werden. Die Botschaft ist egal, Hauptsache sie ist „revolutionär“ und vor allem schlafstörend.
    Und natürlich sind Kriege, reale oder imaginäre, ein wichtiges Instrument in der Hetzpolitik von Fidel Castro immer gewesen. Wie oft waren wir schon kurz vor dem Ende, vor der Apokalypse! Wie oft hat man uns versichert, die amerikanischen Kriegsflugzeuge stehen schon bereit, mit Bomben geladen und voll getankt! Wie oft mussten wir die Parole „Vaterland oder Tod!“ während eines lächerlichen Militärmanöver am Wochenende mit Inhalt füllen … Immer auf Trab – das ist wichtig!
    Und welcher Krieg ist heute im Anmarsch? Der Krieg des Westens gegen Iran. Am 4 Juli 2010 wurde in der kubanischen Zeitung ein apokalyptischer Erguss von Fidel Castro in Form einer „Reflexion“ veröffentlicht. Die Welt steht kurz vor dem 3. Weltkrieg, der diesmal die Dimension eines Atomkrieges annehmen wird. Er wagte sogar, eine schlimme Prophezeiung auszusprechen: Gerade dann, wenn die Menschheit das Finalspiel der Fußball-WM zuhause verfolgt, wird der 3. Weltkrieg ausbrechen. Das Orakel der Karibik enttäuschte uns zum Glück. Doch einige Tage später, direkt nach seiner Auferstehung, besuchte er das Institut für die Weltwirtschaftsforschung in Havanna (!) und erklärte die Gründe seines Versagens: Ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes Kubas hat beim Abtippen eines Berichtes der UNO eine Zeile übersprungen. Die Flüchtigkeit oder vielleicht die Müdigkeit des Mitarbeiters waren an seinem Versagen schuld. Trotzdem verteilte er seine Theorie wieder, vertiefte sie vor einem aufmerksamen Publikum, das aus Wirtschaftswissenschaftlern bestand: Der Atomkrieg wird nur kurz sein. Danach wird die westliche Welt nicht mehr die sein, die sie vorher war, und wir Lateinamerikanern werden daraus verstärkt heraus kommen. Die Strahlung – reflektiert der Máximo Líder – wird uns nicht erreichen und so bekommt Südamerika die Chance, als Lieferant für alles Mögliche in der Weltwirtschaft zu agieren. Der Nahe Osten, und vor allem Europa, werden am Ende sein und auf uns hoffnungslos angewiesen. Nach dem Krieg kommt für uns quasi die ersehnte Erlösung, und diese wird so grandios ausfallen, dass selbst die Begriffe Kapitalismus und Sozialismus ihre Bedeutung verlieren werden.
    Ich wusste es immer: unser Fidel kommt als Prophet noch ganz groß raus!

    http://www.analitica.com/va/internacionales/opinion/8979827.asp
    (Leider nur auf Spanisch)

Hinterlassen Sie uns ein Kommentar

Bitte logge dich mit einer dieser Methoden ein, um deinen Kommentar zu veröffentlichen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s