Das Licht nutzen

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Tausende Habaneros reisen mit Autostopp oder, was dasselbe ist, indem sie an der Ampel einen Autofahrer bitten, sie mitzunehmen. Die Mehrzahl dieser Alternativreisenden sind junge Frauen. Es ist nämlich einfacher, mitgenommen zu werden, wenn man einen Rock trägt – je kürzer, desto besser – als wenn man ein Mann oder eine alte Frau ist. An den Straßenkreuzungen sieht man, wie sie sich zu den Autofenstern hinunterbeugen, um das Ziel des Fahrers zu erfragen und ihn zu bitten, sie ein Stück mitzunehmen. Oft lügen die Fahrer, weil sie nicht wollen, dass Fremde in ihrem Wagen mitfahren und behaupten, dass sie in Hundert Metern schon am Ziel seien oder dass sie umkehren werden.
Es ließe sich eine sympathisch klingende Liste aller Ausreden aufstellen, die häufige Autostopper von denen zu hören bekommen, die ihnen nicht helfen wollen. Eine Stimme hinter dem Steuer weist sie darauf hin, dass „die Reifen wenig Luft haben und das Gewicht einer weiteren Person nicht aushalten“ oder dass “er seinen Chef abholen muss, der einige Häuserblocks weiter vorne wohnt“. Es gibt auch Leute, die ihre dunklen Scheiben hochfahren, bevor sie an eine Ecke kommen, wo so viele auf einen „Lift“ warten. Oder sie drehen das Radio lauter, um die Bitte nicht hören zu müssen, die ihnen vom Bürgersteig aus gestellt wird. Gleichgültig, ob es ein staatliches oder ein privates Autokennzeichen ist, das „Nein“ wird zur üblichen Antwort, die aus dem Inneren der Karosserien zu denen aufsteigt, die unter der Sonne unseres „ewigen Sommers“ vor Hitze umkommen.
Lachhaft oder erschreckend sind auch die Geschichten über die Frechheiten und Anbiederungen, die die Fahrer – im Bewusstsein ihrer Macht – sich den Frauen gegenüber erlauben, die dankbar dafür sind, dass sie mitgenommen werden. Das geht von einem forschenden Blick, der die Oberschenkel hinaufsteigt und dem Rückspiegel, der auf den Schambereich gerichtet ist, bis zu lasziven Berührungen als Wegezoll. Vertraut mit diesen Praktiken laufen viele von uns lieber weite Strecken, als in die Krallen von denen zu fallen, die glauben, sie hätten, dadurch dass sie uns helfen, schon das Recht darauf, uns mit ihren Frechheiten zu überziehen. Den angenehmen Unterschied bilden die Fahrer, die „ja“ sagen und nichts verlangen dafür, dass sie uns irgendwohin bringen, nicht einmal die Telefonnummer, um in Kontakt zu bleiben. Ihnen ist es zu verdanken, dass ein Teil der Bevölkerung dieser Stadt täglich vom Fleck kommt im stockenden Rhythmus, den der Zufall und die kurze Rotphase vorgeben.

Übers: Iris Wißmüller, iris.wissmueller@gmx.de

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