Das zu erzählen, was uns wehtut, über das zu schreiben, was wir erlebt, berührt oder ertragen haben, durchdringt die journalistische Erfahrung, um zu einem Zeugnis des Lebens zu werden. Es besteht ein abgrundtiefer Unterschied zwischen den Berichten über einen Mann im Hungerstreik und der Tatsache, ihm die seitlich herausragenden Rippen abzutasten. Kein Interview kann die weinenden Augen von Clara – der Ehefrau von Guillermo Fariñas – wiedergeben, wenn sie erzählt, dass für ihre gemeinsame Tochter der Vater an einer Magenkrankheit leidet und deshalb immer weiter abmagert. Nicht einmal eine lange Reportage könnte es schaffen, die Panik zu beschreiben, die die Kamera hervorruft, die – 100 Meter vom Haus dieses Mannes in Santa Clara entfernt – die Menschen beobachtet und filmt, die sich der Hausnummer 615 A in der Calle Alemán nähern.
Weder die Ansammlung von Absätzen oder Zitaten noch Aufnahmen reichen aus, um die Gerüche auf der Wache zu vermitteln, zu der man Fariñas gestern brachte. Ich fühle die unerträgliche Schuld, zu spät gekommen zu sein, um ihn zu bitten, wieder zu essen, um ihn dazu zu überreden, seiner Gesundheit keinen irreparablen Schaden zuzufügen. Während meiner Anreise auf der Landstraße legte ich mir ein paar Sätze zurecht, die ihn davon überzeugen sollten, nicht bis ans Ende zu gehen, aber bevor ich die Stadt erreichte, informierte mich eine SMS, dass er im Krankenhaus lag. Ich wollte ihm sagen: „Du hast es geschafft, du hast ihnen die Masken vom Gesicht gerissen“, aber stattdessen musste ich den Angehörigen tröstende Worte aussprechen und ohne ihn in seinem Wohnzimmer in dem bescheidenen Viertel La Chirusa Platz nehmen.
Warum haben sie uns bis an diesen Punkt gebracht? Wie konnten sie alle Wege des Dialoges, der Debatte, der gesunden Meinungsverschiedenheit, der notwendigen Kritik versperren? Wenn sich in einem Land diese Proteste der leeren Mägen ereignen, muss man sich fragen, ob den Bürgern wohl noch ein anderer Weg geblieben ist, um ihre Unzufriedenheit zu äußern. Fariñas weiß, dass ihm niemals eine Minute im Radio gewährt, er in keiner Versammlung des Parlaments berücksichtigt werden wird und dass er seine Stimme nie, ohne Bestrafung, auf einem öffentlichen Platz erheben kann. Sich zu weigern, etwas zu essen oder trinken, war die Form, die er fand, um seine Verzweiflung darüber zu zeigen, unter einem System zu leben, dessen wichtigsten „Eroberungen“ Knebel und Masken sind.
Coco kann nicht sterben. Denn in dem langen Beerdigungsmarsch für Orlando Zapata Tamayo, unsere Stimmen und unsere bürgerliche Souveranität, die vor einer Weile ermordet wurden… passt kein weiterer Toter.
Naja, wenn nun aber Guillermo Farinas tatsächlich diese Körperverletzungen begangen hat, dann erscheint mir das sehr unvernünftig. Sachliche und konstruktive Kritik sollte aber immer erlaubt sein. Allerdings ist die Kritik von einigen Medien und Kommentatoren an der Politik dieses armen Landes (wie bei anderen lateinamerikanischen Ländern auch durch die Kolonialisation mitbedingt, nicht nur hausgemacht !) zu einseitig und verhetztend. In Kuba sind sicher Weiterentwicklungen notwendig. Im Gegensatz zu Kolumbien, Panama, Honduras etc. werden aber keine Oppositionellen gefoltert oder ermordet. In diesen Ländern kannst du als armer Bürger auch nicht im Parlament mitreden oder in den Medien schreiben.
unglaublich wie dieses rote gesocks diesen mann zum kriminellen macht
http://www.jungewelt.de/2010/03-09/056.php