Pablo Milanés und ich verbrachten einen unvergesslichen Abend auf der Tribuna Antiimperialista*. Er stand auf der Bühne und sang sein ausführliches Repertoire, während ich ein Transparent mit dem Namen von Gorki hochhielt. Sein Konzert dauerte fast drei Stunden, nur ein paar Sekunden dauerte es dagegen, bis das Transparent zerstört war, das wir paar Unbeugsame hielten.** Obwohl ich dem Liedermacher von Yolanda so nahe war, dachte ich an jenem 28. August, dass tausende von Kilometern meinen Nonkonformismus von seiner Rechtfertigungshaltung trennen. Ich habe mich geirrt.
Ich habe das Interview gelesen, das Pablo der spanischen Zeitschrift El Público*** gab, und für jede seiner Antworten würde er eine Tracht Prügel bekommen, wenn er sie auf einem Platz in der Innenstadt von Havanna ausspräche. Sein Urteil ist ähnlich wie das, was mich zur Gründung dieses Blogs veranlasste, und ich könnte sogar einige seiner Sätze als meine eigenen unterschreiben. Wenn er sagt „Wir sind in jedem Sinn gelähmt, wir machen Pläne für eine Zukunft, die nie kommen wird“, dann berührt mich das mehr als alle seine Lieder zusammen. Diese Zukunft, von der er redet, war uns voller Lichter ausgemalt worden und mit einer Hintergrundmusik, zu der seine Stimme gehörte, die anstimmte „Cuba va“. Im Interesse eines derartigen Trugbildes schien jedes Opfer gering, sogar jenes, unsere Ungleichheiten zu verschweigen oder jedes Anzeichen von Kritik zu ersticken.
In dem gealterten Antlitz der Utopie sind die Farben verblasst, und aus der Siegessinfonie wurde ein Überlegensreggaeton. Die Lieder von Pablo Milanés wurden schließlich zu Hymnen alter Zeiten, in denen wir naiver und leichtgläubiger waren. „Viele Leute haben Angst zu reden“, sagt er uns jetzt, und mit zittrigen Knien bestätige ich das, ja, der Preis für eine eigene Meinung ist noch zu hoch. Fern von Akkorden und seiner gespannten Gitarrensaiten hat er gestern seine beste Melodie angestimmt, diejenige, in der Nonkonformismus enthalten ist und der Finger des Staatsbürgers, der auf die Machthaber deutet. Es ist dieselbe Musik, die Millionen von Kubanern trällern, er aber hat die Fähigkeit, sie mit demselben warmen Ton anzustimmen, der uns einstmals genau das Gegenteil glauben machte.
Anmerkungen der ÜbersetzerInnen:
* Die „Tribuna Antiimperialista“ (dt.: „Antiimperialistische Tribüne“) ist eine überdachte Bühne für Open-Air-Konzerte in Havanna, nahe dem Malecón, direkt neben der US-amerikanischen Vertretung.
** Siehe den Eintrag Kurze Chronologie eines Sieges vom 31. August 2008.
*** Eine nicht autorisierte deutsche Übersetzung dieses Interviews bieten wir hier.
Übersetzung: Bettina Hoyer, Heidrun Wessel, Sebastian Landsberger