Journalismus oder Literatur

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Anlässlich des Kongresses des kubanischen Journalistenverbandes (UPEC)

Als ich das Preuniversitario* beendete, hatte ich die verrückte Idee Journalistin zu werden. Wir waren drei Freundinnen, die gemeinsam eine Privatlehrerin dafür engagierten, dass sie mit uns noch einmal die Eignungsprüfungen für die Universität durchging. Diese Frau beharrte – so penetrant, dass es mich zu ärgern begann – darauf, dass ich es niemals zu einer guten Reporterin bringen würde, sondern alles an mir auf einen anderen Berufszweig hindeuten würde: die Philologie. Ihre Verwünschungen sollten sich erfüllen. Denn schließlich endete ich damit, dass ich mich mit Wörtern, Phonetik und literarischen Konzepten auseinandersetzte, statt den Meldungen hinterherzujagen.

Nicht nur die Weissagung dieser Teiresias** von Havanna hielt mich von der Arbeit mit Informationen, sondern ebenso die Überzeugung, dass die journalistische Tätigkeit in einer durch Zensur, Opportunismus und Doppelmoral gekennzeichneten Gesellschaft eine Quelle unzähliger Frustrationen bedeuten würde. Ich hatte Reinaldo kennengelernt, der aus der „Juventud Rebelde“*** herausgeworfen worden war, weil „seine Art zu denken unvereinbar mit derjenigen der Zeitung“ gewesen sei. Zu sehen, wie sein Wunsch zu schreiben vom harten Arbeitsalltag als Fahrstuhlmechaniker aufgefressen wurde, war der entscheidende letzte Tritt gegen die Träume meiner Jugend.

Die Zeit der Glasnost war vorbei, und in Kuba verbreitete sich sowohl unter den Berichterstattern als auch unter deren frustrierten Lesern der bittere Geschmack einer vertanen Chance. In der Glotze hieß es unentwegt, dass die Produktion sich erhöhe, dass das Land durchhalten müsse und der „unbesiegbare Führer“ uns den Sieg bringen werde, während unser Lebensalltag jede triumphierende Phrase und jede geschönte Ziffer Lügen strafte. Ich wähnte mich in der Welt der Metaphern in Sicherheit.

Allerdings, so verschieden voneinander waren die beiden Berufe gar nicht, wo doch ein großer Teil des Journalismus, so wie er in Kuba von den offiziellen Medien betrieben wird, viel mit Literatur gemein hat. Während ich also versuchte, mich ins Dichterische, Romanhafte oder Theatralische zu flüchten, entdeckte ich, dass die kubanischen Nachrichten voll davon sind: Von Persönlichkeiten, die einfach unglaubwürdig sind, von Zukunftsmärchen, die nie wahr werden, und von lächelnden Gesichtern, die zwischen Tausenden betrübten Mienen herausgefiltert wurden.

Mit ihrer Prophezeiung wollte mich diese illegale Lehrerin auf etwas aufmerksam machen, was ich Jahre später selbst entdeckte: Zwischen der Dichtung unserer Presse und der unserer Romanautoren bietet mir letztere doch mehr Gewissheiten.

Anmerkungen der ÜbersetzerInnen:

* Letzte 3 Jahre der Oberstufe, die zum Besuch einer Universität berechtigen
** Griechische Sagengestalt des blinden Sehers von Theben
*** Tageszeitung des kommunistischen Jugendverbandes Kubas UJC

Übersetzung: Bettina Hoyer, Heidrun Wessel, Sebastian Landsberger

3 Gedanken zu „Journalismus oder Literatur

  1. Hola! Vielen Dank für die Übersetzung auf Deutsch. Der Blog ist sehr interessant und bedeutet für mich ein kleines Fenster zu Cuba. Allerdings ist mein Spanisch verbesserungswürdig, daher bin ich froh, dass jemand sich die Mühe des Übersetzens macht! 🙂
    Bis zum nächsten Eintrag!
    Eine interessierte Leserin…

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