Offenes Haar

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Wie viele andere in Havanna bin auch ich untröstlich über den Polizeieinsatz, mit dem etliche Betriebe dicht gemacht wurden, die bis dahin Teller, Teelöffel, Schnallen und Spangen aus Plastik hergestellt hatten. Nachdem der Polizei bei ihrer „Offensive gegen sozialen Ungehorsam“ über die „Taucher“ hergefallen war (siehe Blogeintrag vom 10. Juni: „In trüben Wassern fischen“, Anm. d. Ü.), hat sie jetzt 13 Werkstätten und 10 geheime Warenlager geschlossen, in denen heiß begehrte Artikel vertrieben wurden. Die illegalen Unternehmer hatten jedoch nicht etwa mit Drogen gehandelt oder Waffen verschoben, sondern schlicht und einfach Schüsseln, Wäscheklammern oder Haarspangen aus Plastik hergestellt.

Anscheinend gehört die Jagd auf Privatproduzenten zu dem neuen, dem Ausland so gerne präsentierten Wandel. Ob es so ist oder nicht, aus Protest gegen diese Razzia werde ich in nächster Zeit mein Haar offen tragen. Damit ich mir immer wieder sagen muss: „Yoani, gewöhne dich dran, dass immer mehr Accessoires verschwinden, mit denen du deine Mähne bändigen konntest.“ Fürs Erste habe ich einen Schaumlöffel aus Aluminium gekauft, und einen neuen Besen. Nach der jüngsten Beschlagnahmeaktion wird es so etwas bestimmt auch bald nicht mehr geben.

Uns verschreckten Käufern von „Überlebensmitteln aus Plastik“ wäre es lieber, wenn die alternativen Produzenten nicht Opfer von Polizeieinsätzen werden würden, sondern stattdessen legale Produktionsmöglichkeiten hätten. Würden sie von der ONAT (nationale Steuerbehörde, Anm. d. Ü.) legalisiert, dann würden sie auch Steuern zahlen und könnten ihre Produktionsmittel im Großhandel einkaufen. Innerhalb kürzester Zeit wäre dann niemand mehr bereit, ähnliche Waren teuer in Devisenläden zu erwerben, und der Staat müsste sie daher nicht mehr von weit her importieren. Und die notorischen Schnüffler müssten nicht mehr melden, wer Kaffeeservice, Kleiderbügel oder Dosendeckel herstellt. Ganz zu schweigen von meinem Haar, in dem eine hübsche Haarspange aus heimischer Produktion glänzen würde, erworben bei einem angesehenen selbstständigen Hersteller.

Hier klicken, um die Originalnachricht (spanisch) aus der Granma zu lesen.
Hier klicken, um eine Übersetzung des Granma-Artikels zu lesen.

Übersetzung: Bettina Hoyer, Heidrun Wessel, Sebastian Landsberger

4 Gedanken zu „Offenes Haar

  1. Eine Begründung kenne ich nicht, aber ich vermute mal, dass durch die „illegalen“ Hersteller und Händler dem Staat wertvolle Devisen entgehen. Vergessen wir eines nicht, die Devisenläden verraten die dreiste Absicht schon im Namen: Tiendas de Recaudación de Divisas; so ungefähr: Geschäfte zum Devisen-Abschöpfen. Krass, oder?

  2. Wenn die „Taucher“ eine Recycling Firma wären 😉 ? Wäre die Obrigkeit nicht erfreut über diese fortschrittliche
    Maßnahme ?!
    Wobei ich sagen muß, das Plastikteller und so gerne mal in der Landschaft rumfliegen, bzw. nur einmal (!)
    benutzt werden.
    Aber Schüsseln ?! Und von mir aus auch Haarklammern?!
    Wie ist denn überhaupt die Begründung für das Verbot ???

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